VDSL-Turbo Vectoring: "Nichts übers Knie brechen"

Der Beirat der Bundesnetzagentur warnt beim Vectoring-Verfahren vor übertriebener Eile. Auch die Wettbewerber sehen noch erheblichen Klärungsbedarf.

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Netzwerkstecker

(Bild: dpa, Friso Gentsch)

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Nachdem die Bundesnetzagentur ihren Entscheidungsentwurf für den Vectoring-Antrag der Telekom vorgelegt hat, warnt der politische Beirat der Regulierungsbehörde vor zu viel Eile. "Gerade wenn wir wollen, dass der Netzausbau möglichst schnell vorankommt und Investitionen getätigt werden, dürfen wir nichts übers Knie brechen, was politisch oder rechtlich keinen Bestand hat", mahnte der Beiratsvorsitzende Klaus Barthel (SPD).

Die Telekom hatte beantragt, in den Nahbereichen der sogenannten Hauptverteiler (Hvt) die Vectoring-Technik einzusetzen, um dort angeschlossene Kunden mit VDSL mit bis zu 100 MBit/s versorgen zu können. Auch wenn die meisten Kunden im Nahbereich ohnehin schon VDSL mit 50 MBit/s bekommen können, verkauft die Telekom ihre Vectoring-Offensive als Beitrag zu den Breitbandausbauplänen der Bundesregierung. Bei der stößt das Vorhaben dann auch auf Wohlwollen.

Ein Problem ist das für die Wettbewerber, die eigene Technik an den Hvt der Telekom installiert haben und darüber ihre Kunden versorgen. Die Vectoring-Technik nutzt ganze Kabelstränge, auf denen dann nicht mehrere Anbieter auf die einzelnen Teilnehmeranschlussleitungen (TAL) zugreifen können. Wenn die Telekom im Hvt Vectoring einsetzt, sind die Konkurrenten raus. Laut Telekom sollen aber nur rund 135.000 von Wettbewerbern gemietete TALs betroffen sein. Trotz der Bonner Beschwichtigungsversuche laufen die Wettbewerberverbände Breko und VATM seit Monaten Sturm gegen die Vectoring-Pläne und sprechen von der "Re-Monopolisierung des Netzes".

Der am Montag vorgelegte Entscheidungsentwurf sei ein "fairer Kompromiss", meint der Präsident der Regulierungsbehörde, Jochen Homann. Dieser Kompromiss sieht so aus: Wenn Wettbewerber im Gebiet eines Hvt mehr Kabelverzweiger (Kvz) erschlossen haben als die Telekom, dann können sie auch VDSL2 mit Vectoring im Nahbereich des Hvt einsetzen, müssen dafür aber eine verbindliche Ausbauzusage abgeben. Damit wäre die Telekom dann raus. Die Bundesnetzagentur sieht als Stichtag für die Bewertung den 23. November 2015 vor – also den Tag, an dem sie den Entscheidungsentwurf vorgelegt hat.

Laut Telekom-Antrag sind in etwa der Hälfte der 7900 Hauptverteiler Wettbewerber präsent und bieten an rund 30.000 Kvz selbst VDSL an. Damit könnte die Telekom schonmal an der Hälfte der Hvt schalten und walten nach Belieben. Für die andere Hälfte kann derzeit niemand genau sagen, welcher Anbieter am meisten erschlossen hat und künftig Vectoring ausbauen darf. Auch weil in einem Hvt-Bereich oft mehrere Anbieter aktiv sind, dürfte die Antwort im Zweifel lauten: Die Telekom.

Dennoch soll die Telekom verpflichtet werden, ihren Wettbewerbern auch beim Vectoring weiter Zugriff auf einzelne Anschlüsse zu ermöglichen. Dafür muss sie ein virtuell entbündeltes Zugangsprodukt (Virtual Unbundled Local Access, VULA) anbieten, "das in seinen Eigenschaften der entbündelten TAL sehr nahe kommen muss", wie es bei der Bundesnetzagentur heißt. Damit bleibe den Wettbewerbern "ein Sprungbrett für einen eigenen Breitbandausbau erhalten", sagt Homann. "Damit setzen wir ein Signal für den Infrastrukturwettbewerb."

Nicht alle teilen diesen Optimismus. Katharina Dröge und Tabea Rößner von den Grünen warnen "trotz einiger positiver Aspekte", das der Entwurf einen "umfänglichen Wettbewerb verhindert". Auch die Wettbewerber sind wenig begeistert: Der Breko-Verband beklagt ein "fatales Signal" für den Wettbewerb, "kein fairer Kompromiss" kritisiert der VATM. "Im Grunde bekommt die Telekom ein Exklusivrecht für den Ausbau im Nahbereich", fassen Dröge und Rößner zusammen.

Jetzt läuft das Konsultationsverfahren. Bis zu seiner nächsten Sitzung am 25. Januar will sich auch der Beirat der Bundesnetzagentur, dem jeweils 16 Vertreter von Bundestag und Bundesrat angehören, ein Bild machen. Dass der Beirat versucht, ein bisschen Druck aus dem "brisanten Verfahren" (Barthel) zu nehmen, dürfte vor allem an die Adresse des Bundeswirtschaftsministeriums gehen, das beim Thema Vectoring verschärftes Tempo geht. Auch die Bundesnetzagentur drängt auf schnelle Ergebnisse. Und das trotz der heftigen Kritik, dass Vectoring über die Kupferleitung als infrastrukturpolitische Sackgasse gilt.

Die Wortmeldung des Beirats sei auch ein Signal, "dass er nicht gewillt war, den vorliegenden Entscheidungsentwurf der Regulierungsbehörde in dieser Form ohne weiteres durchzuwinken“, sagt Breko-Geschäftsführer Stephan Albers. "Der Beirat sieht offensichtlich noch eine ganze Reihe ungeklärter Fragestellungen zur politischen und juristischen Durchsetzbarkeit.“ (vbr)