Experten beklagen Wildwuchs beim Scoring zur Bonitätsprüfung

Daten- und Verbraucherschützer haben die Initiative der Grünen, Scoring-Anbieter stärker zu regulieren, großteils begrüßt. Es würden "absurde Daten" wie Vornamen oder installierte Schriftarten eingesetzt, um Kunden einzuschätzen.

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Gefahren aus dem Netz

(Bild: dpa, Ole Spata/Archiv)

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Sachverständige haben sich grundsätzlich hinter das Anliegen der Bundestagsfraktion der Grünen gestellt, die Transparenz beim Scoring zum Prüfen der Kreditwürdigkeit zu erhöhen. Richtig sei es auch, Auskunfteien klarere Vorgaben zu machen, welche Informationen sie für ihre mathematisch-statischen Berechnungen heranziehen dürften, erklärte der hessische Datenschutzbeauftragte Michael Ronellenfitsch bei einer Anhörung im Bundestag am Montag. Derzeit würden dazu oft "absurde Daten" verwendet.

Einzelne Scoring-Anbieter kombinierten etwa gewisse Vornamen mit dem Wohnort von Verbrauchern, brachte Ronellenfitsch ein Beispiel. Er sprach sich vehement gegen einen "Big Data"-Ansatz mit schier beliebigen Korrelationen beim Berechnen der Kreditwürdigkeit von Personen ein: Genutzt werden dürften nur Informationen, die "valide Auskünfte" ergeben.

Zu weit geht dem Datenschützer aber das von den Grünen in ihren Gesetzesvorschlag eingebaute Verbot von Geo-Scoring. Die von seiner Behörde kontrollierte Schufa verfüge zwar über eine "Unmasse von Daten und Unterlagen" und benötigte so keine Wohnortdaten für ihre Einstufungen. Andere Auskunfteien könnten ohne Einbezug von Adressinformationen aber ins Hintertreffen geraten, was zu einem faktischen Monopol der Schufa führen könnte. Übers Ziel hinaus stoße auch die Forderung der Grünen, dass Angaben zum Geschlecht außen vor bleiben müssten, da Frauen in der Regel "bessere Schuldner" seien und das Grundgesetz verlange, das schwache Geschlecht "besser zu stellen".

Laut Frank Christian Pauli vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) umfasst der Vorstoß "alle wichtigen Fragestellungen". Die Hamburger Kreditech mache bereits "Scoring 2.0" für andere Länder und ziehe dazu Daten aus dem Internet mit ein, andere Auskunfteien erstellten Kreditbewertungen sogar allein auf Basis von Facebook-Profilen. Dabei sei unklar, ob überhaupt noch ein Individuum an sich oder dessen Kontakte in sozialen Netzwerken bewertet werden. Andere Anbieter zögen eine bestimmte Schriftart heran, die auf einem Computer oder Smartphone installiert sei und zu einem Online-Pokerspiel gehöre. Herabgestuft werde teils auch, wer sich im Web für Bücher eines TV-Schuldnerberaters interessiere.

Geht es nach den Grünen, dürften Dienstleister zur Bonitätsprüfung unter anderem nicht mehr Adressen, Daten aus sozialen Medien und anderen Online-Foren, Angaben zur Staatsangehörigkeit oder zu einer möglichen Behinderung nutzen. Der Kasseler Rechtsprofessor Alexander Roßnagel unterstütze dies, da die aufgeführten Kategorien "wenig beitragen oder diskriminierende Wirkung haben können". Auch eine obligatorische Vorabkontrolle von Auskunfteien sei sinnvoll.

Roßnagel widersprach auch der Ansicht von Sprechern der CDU/CSU-Fraktion, dass die Initiative mit der laufenden EU-Datenschutzreform hinfällig werde. Einzelne Punkte wie die ins Spiel gebrachte jährliche Auskunft über Daten, die Auskunfteien über Verbraucher sammeln, dürften mit der geplanten Verordnung zwar nicht vereinbar sein, die Hauptbestandteile seien aber darin ebenfalls angelegt. So müssten Anbieter etwa die "Logik" hinter ihren Score-Werten erläutern. Dies könnte sich decken mit dem von den Grünen gewünschten Auskunftsbegehr, welche Einzeldaten Auskunfteien verwenden, wie sie diese gewichten und welche Vergleichsgruppen sie einsetzen. Dabei handle es sich nicht um ein Betriebsgeheimnis.

Der Datenschutzberater Karsten Neumann und der Oldenburger Rechtswissenschaftler Jürgen Taeger waren sich einig, dass der Gesetzgeber statt einer jährlichen Auskunftspflicht eine Auflage schaffen sollte, Verbraucher vorab über Informationskategorien aufzuklären, die fürs Scoring eingesetzt werden.

Taeger kritisierte zudem, dass die Oppositionsfraktion "Unmögliches" von Auskunfteien verlange. Es würde diese etwa mit Kosten in Millionenhöhe belasten, wenn sie Details zu den verwendeten "mathematisch-wissenschaftlichen Methoden" offenbaren müssten. Algorithmen könnten höchstens gegenüber einer Aufsichtsbehörde herausgegeben werden, da sie auf jahrelangen Erfahrungen beruhten, für Laien nicht verständlich seien, von Dritten missbraucht und für einzelne Branchen ganz verschieden angelegt würden. Insgesamt sehe er Verbesserungsmöglichkeiten, die jetzt diskutierten überzeugten ihn aber größtenteils nicht. (axk)