VDSL-Turbo Vectoring: Schlagabtausch bei der Bundesnetzagentur

In der öffentlichen Verhandlung über die Vectoring-2-Regulierung standen sich Telekom und Konkurrenten unversöhnlich gegenüber. Die Regulierer wollen sich jedoch nicht den schwarzen Peter zuspielen lassen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 186 Kommentare lesen
VDSL-Turbo Vectoring: Schlagabtausch bei der Bundesnetzagentur

Volles Haus bei der Bundesnetzagentur. Bis in den Abend stritten die Provider um Vectoring im Nahbereich.

(Bild: heise online/Kleinz)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Torsten Kleinz
Inhaltsverzeichnis

Bei der Anhörung zum Regulierungsentwurf der Bundesnetzagentur für den Vectoring-Ausbau im Nahbereich der sogenannten Hauptverteiler (Hvt) am Donnerstag in Bonn haben mehr als 60 Branchenvertreter bis in den Abend heftig gestritten. Der Regulierungsentwurf soll den exklusiven Ausbau um die Hvt regeln und wird von Wettbewerbern der Telekom als Rückfall in ein altes Monopol scharf kritisiert.

Durch das Angebot der Telekom, eine Milliarde Euro in den Ausbau zu investieren, sofern sie den exklusiven direkten Zugang zu den Hauptverteilern erhält, hat sie die Bundesnetzagentur unter Zugzwang gesetzt. Die Breitbandziele der Bundesregierung – bis 2018 flächendeckend Internetanschlüsse mit Bandbreiten von mindestens 50 MBit/s anzubieten – verlangen nach schnellen Lösungen. Während die Telekom-Konkurrenz den langfristigen Glasfaser-Ausbau fordert, gilt Vectoring als schnell umsetzbare Zwischenlösung.

Vectoring: der VDSL-Beschleuniger

Kaum ein Netzthema wird so kontrovers diskutiert wie das Vectoring: Mit der neuen Technik lassen sich bis zu 100 Mbit/s aus einem VDSL-Anschluss kitzeln - kein Wunder, dass die Telekom das anbieten möchte. Die Konkurrenz befürchtet aber eine Re-Monopolisierung des Markts, da Vectoring einen exklusiven Zugriff auf die letzte Meile erfordert. Kritiker befürchten zudem weitere Verzögerungen beim zukunftsträchtigen Glasfaserausbau.

"Wir wollen so schnell wie möglich eine Entscheidung finden und nicht die Fristen bis Mitte kommenden Jahres ausschöpfen", erklärte der Vorsitzende der zuständigen Beschlusskammer 3 der Regulierungsbehörde, Ernst-Ferdinand Wilmsmann. Die Zeit drängt: Die Telekom will erst drei Monate nach der amtlichen Veröffentlichung der Neuregelung mit dem Ausbau beginnen. Zieht sich das Verfahren hin, wird der versprochene Ausbau bis Ende 2018 nicht beendet werden können.

Die Konkurrenten warnen jedoch vor einer "Remonopolisierung" und erhalten dabei Unterstützung von der Monopolkommission des Bundes. Zwar muss die Telekom den Konkurrenten auch weiterhin Zugang zu ihrer Infrastruktur bieten. Doch statt einer vollständigen Teilnehmeranschlussleitung (TAL) werden sie nur einen virtuell entbündelten Anschluss (VULA) anmieten können. Dies sei eine wirtschaftlich wesentlich unattraktivere Option, beklagen die Konkurrenten.

Die Bundesnetzagentur hatte sich in ihrem Entwurf um einen Kompromiss bemüht. Wenn ein Wettbewerber im Anschlussbereich eines Hvt mehr Kabelverzweiger ausgebaut hat als die Telekom und sich zum Ausbau verpflichtet, soll er selbst Vectoring exklusiv einsetzen können. Dabei ist derzeit noch unklar, für welche Unternehmen und Hauptverteiler das gilt. Als Stichtag für die Bestandsaufnahme hat die Bundesnetzagentur den 23. November 2015 vorgeschlagen.

Die Bundesnetzagentur hat aufgrund der Angaben im Breitbandatlas des TÜV Rheinland eine Schätzung vorgenommen, wie viele Haushalte insgesamt von der Ausbaumaßnahme profitieren könnten. Von den 6,5 Millionen Haushalten im Nahbereich haben demnach 1,5 Millionen bisher keine Möglichkeit, einen Internetanschluss mit mehr als 50 MBit/s zu buchen. Nach dem angekündigten Vectoring-Ausbau hätten 1,4 Millionen Haushalte einen besseren Zugang, davon 420.000 im ländlichen Bereich, 700.000 im halbstädtischen und 300.000 im städtischen Umfeld.

Die anderen Provider halten diese Schätzung für nicht ausreichend - so seien die tatsächlichen Dämpfungswerte der Infrastruktur nicht eingeflossen. Zudem lasse das Angebot der Telekom zu, dass bis zu 400.000 Haushalte keine Anschlüsse mit 50 MBit/s bekämen oder gar nicht ausgebaut würden. "Die Folge: Es bleiben Mikro-Inselchen übrig, für die es gar keinen Anbieter gibt", erklärte VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner. Erklärtes Ziel sei jedoch ein hundertprozentiger Ausbau.

Die Telekom-Konkurrenten verlangen eine zusätzliche ökonomische Analyse, ob Vectoring von der Telekom den Ausbau durch andere Anbieter verhindert. So haben Anbieter von Glasfaser-Anschlüssen derzeit Probleme, ausreichend Kunden für ihre prinzipiell überlegene, aber teurere Technik zu finden. Nach Zählung der Bundesnetzagentur hat von den zwei Millionen per Glasfaser angebundenen Haushalte gerade Mal ein Fünftel diesen Anschluss auch aktiviert.

Dieser Argumentation wollte sich die Beschlusskammer aber nicht anschließen. So gehe es in dem Verfahren nur um den Zugang letzten Meile. Die Bundesnetzagentur sei keine Planungsbehörde für den Netzausbau. Statt über die Mängel des Telekom-Plans zu lamentieren, forderte Wiltmann die Konkurrenten auf darzulegen, wie sie den Breitbandausbau gemäß der Vorgaben der Bundesregierung besser vorantreiben wollen. Bisher haben im Konsultationsverfahren 21 Unternehmen eigene Ausbaupläne bekundet, um den exklusiven Telekom-Zugriff zu verhindern. Der Kölner Provider Netcologne hat dabei als einziger eine konkrete Ausbauverpflichtung ähnlich der Telekom vorgelegt.

Eine regelrechte Henne-Ei-Problematik ist die Frage nach der Verbindlichkeit dieser Selbstverpflichtungen. Stellt die Bundesnetzagentur zu hohe Anforderungen an den Ausbau und die Offenheit für den Wettbewerb, könnte die Telekom ihr Angebot zurückzuziehen. Gleichwohl muss sichergestellt werden, dass sich der Großinvestor an seine Zusagen hält. Die Regulierer dringen nun darauf, dass die Telekom ihre Zusagen noch vor der Regulierungsentscheidung verbindlich macht – inklusive Haftungsregelungen bei Nicht-Ausbau.

Verkompliziert wird die Lage dadaurch, dass in der Konsultationsphase nun auch Telekom-Konkurrenten eigene Ausbaugarantien vorlegen können sollen. Die befürchten nun, übervorteilt zu werden, wenn sie nun in kurzer Frist weitgehende und teure Zusagen machen. Sollte die Telekom ihr Angebot einschränken, wollen auch die Wettbewerber das Recht haben, ihren Ausbau im Nahbereich zurückzustellen und mehr in den Ausbau anderer Gebiete zu investieren.

Ein Bieterwettbewerb um die oft lukrativen Nahbereiche könnte entstehen. Denn die regionalen Konkurrenten fühlen sich unter Druck gesetzt, deutlich bessere Angebote vorzulegen als die Telekom. Denn nur der Bonner Konzern kann es sich leisten, ein nahezu bundesweites Ausbauangebot zu machen – und somit mehr zum Breitbandziel der Bundesregierung beizutragen als jeder einzelne Konkurrent.

Sollte die Bundesnetzagentur die Rechte zum exklusiven Zugriff auf Hauptverteiler auf zu viele Konkurrenten verteilen, wäre das Telekom-Angebot hinfällig. Denn wie die Telekom-Vertreter in Bonn klarmachten, ist das Angebot eine Mischkalkulation. So sehe der Konzern derzeit auch vor, für sich genommen unwirtschaftliche Bereiche ohne staatliche Förderung auszubauen. Wenn die Bundesnetzagentur in ihrer Entscheidung die lukrativeren Netzausbauprojekte herauslöse, werde auch die Ausbauzusage der Telekom gefährdet.

Die Fundamentalopposition vieler Beteiligter sorgte dafür, dass die Beschlusskammer am Donnerstag nicht alle Punkte besprechen konnte. Eine Fortsetzung ist für kommenden Montag angesetzt. (vbr)