Fotojahr 2016: Kaffeesatz, hoch aufgelöst

Was bringt das neue Jahr für Fotografen? Unser Autor Andreas Kesberger wagt einen ganz persönlichen Jahresausblick. Schnappen Sie sich schon einmal eine Tasse guten Kaffee.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Andreas Kesberger
Inhaltsverzeichnis

Was bringt das neue Fotojahr 2016? Mir vielleicht meinen Objektivdeckel zurück, wenn das Laub endlich wieder weg ist. Wie Panasonic auf die Idee kommen konnte, dem Leica Summilux einen Gummideckel zu spendieren, der alle paar hundert Meter abfällt, muss ein Geheimnis bleiben. Wahrscheinlich hilft es auch nächstes Jahr, nicht alles neu zu erfinden. Aber sonst? Da es mittlerweile fast so viele Barista-Workshops wie Fotokurse gibt, ist die Qualität des Kaffees in diesem unseren Lande zwar besser geworden, nur für die Kaffeesatzleserei gilt das nicht unbedingt. Alles dunkel im Siebträger und die Rumor-Seiten wissen auch nicht mehr richtig Bescheid.

Natürlich wird wieder Photokina sein. Vorher wühlte man sich stundenlang durch die Fotonachrichtenseiten, damit man sich auf der Messe wenigstens beschweren kann, dass es ja gar nix Neues gibt. Also ich bin jetzt mal ganz mutig: Es wird neue Kameras geben und sie werden ganz viele Megapixel haben. Eine Sony Alpha 7 XYZ mit sechs Megapixeln, die die Bundeswehr als Nachtsichtgerät nutzen kann, kommt wohl eher nicht, dafür gibt es nachts einfach zu wenig zu sehen. Tagsüber ist das Licht halt doch schöner.

Wer soll das nur schleppen: Für die neuen Sensorgenerationen braucht es noch etliche neue Objektive – und die brauchen viel Glas.

(Bild: Leica)

Wahrscheinlich setzt sich eher der Trend zur Erledigung der fotografischen Hausaufgaben fort. Sony hat erstaunlich schnell gelernt, dass man vor lauter Pixeln die Erschütterung des Verschlusses nicht ignorieren sollte. Canon wird auch noch lernen, dass der Kontrastumfang zwar nicht so wichtig ist beim Anzeigenschalten, aber dass ausgefressene Lichter und zugelaufene Schatten auch mit 50 Megapixeln nicht so prickelnd wirken. Nikon hat das ja auch verstanden.

Zu den Hausaufgaben gehören auch die Objektive. Wenn wir im Biologieunterricht nicht aufpassen, dann präsentiert Zeiss uns schon wieder eine neue Objektivreihe benannt nach einer Vogelart, von der wir noch nie gehört haben.

Mehr Auflösung in den Kameras braucht es eigentlich nicht, mehr Objektive, die das alles auflösen können, schon. Zum Glück stößt die nachträgliche Schönrechnerei an ihre Grenzen. Zu unser aller Pech müssen wir das Ergebnis mit ganz viel Glas dann auch noch tragen. Wenn jetzt noch einer die Beugung abschaffen könnte...

Und sonst? Sonst spielt die Fotomusik eigentlich woanders. Das Smartphone hat dafür gesorgt, dass wir auf den Fotoseiten und in den Zeitschriften wieder unter uns sind. Auch die Handy-Modul-Konzepte von DXO, Sony und Olympus werden es nicht schaffen, dass sich Knipser und Enthusiasten wieder vereinen. Wer daran noch zweifelt, hat seine letzte Städtereise vor Erfindung des Selfiesticks gemacht.

Spezielle Funktion für eine richtige Kamera: Panasonic Post Focus. Aus einer 4K-Serie mit 30 Bildern pro Sekunde mit unterschiedlichen Schärfeebenen können Fotografen auswählen, welches Bild mit welchem Schärfepunkt sie als JPEG abspeichern wollen.

(Bild: Panasonic)

Die Antwort der Industrie auf die Smartphone-Invasion sind noch speziellere Fotofunktionen in den "richtigen" Kameras. Olympus schüttelt den Sensor so lange, bis 40 Megapixeln unten rauskommen. Und das funktioniert sogar. Auf dem Stativ. Panasonic macht derweil aus einem 4K-Video ganz viele 4K-Fotos und wir suchen uns dann das raus, in dem wir die Schärfe am besten finden. Da hätten wir dann natürlich auch vorher schon richtig scharf stellen können. Das spart Zeit am Rechner. Gemeinsam ist diesen Features, dass wir sie in der Kamera erst mal finden müssen. Auf geht’s in die Untermenüs. Funktionen für Freaks.

Ist Video ein Fototrend? Wahrscheinlich nur für Filmer. Als 4K-Video noch weit weg war, glaubte so mancher, dass damit das Fotografieren ein Ende finden würde. Man könnte ja einfach ein hochauflösendes Bild aus dem Film herausnehmen. Jetzt ist 4K da, aber komprimierte acht Megapixel sind uns dann doch zu klein und außerdem hat uns noch niemand erklären können wo wir die Zeit hernehmen sollen, aus dem Video auch noch Einzelbilder zu destillieren. Wir müssen schließlich gerade unseren Instagram-Account pflegen und bei Facebook ein Handybild hochladen. "Aber wenn dann 8K-Video kommt, dann wird das klassische Fotografieren ganz bestimmt zu Ende sein." Aber ganz bestimmt.

Da "viel-hilft-viel" im Marketing immer gern gehört wird, schaffen es nächstes Jahr bestimmt die Mittelformatanbieter, Sony einen CMOS-Sensor mit größerer Fläche und dreistelligen Megapixelzahlen zu entlocken, damit der Abstand zum vermeintlichen Vollformat gewahrt bleibt. Für den Smalltalk mit dem Kunden vor dem Shooting ist das vermutlich wichtiger als für die Übermittlung der Daten danach, aber wenn die Diasec-Monster noch schärfer werden, soll uns das recht sein. Obwohl, der Diasec-Trend ist ja eigentlich vorbei.

So soll sie aussehen, die Vollformatkamera von Pentax.

(Bild: Pentax)

Was den Fotomarkt angeht, stellt sich 2016 die gleiche Frage wie die letzten Jahre: Wie lange guckt Canon noch zu im Markt der Spiegellosen? So lange in den Einsteiger-Workshops nach wie vor die meisten Teilnehmer mit einer Nikon- oder Canon-DSLR sitzen, voller Stolz, eine "richtige Spiegelreflex" zu besitzen, so lange funktioniert das wohl noch mit einer Feigenblatt-M-Serie. Aber wenn sich die Überlegenheit irgendwann nur noch auf Sport- und Tierfotografie, sowie Altglas-Kundenbindung und etwas Powerpackgeprotze bezieht, wird es doch schwieriger, den Vorsprung der Konkurrenz aufzuholen. Da tippen wir doch spätestens zur Photokina auf eine EOS M mit elektronischen Sucher.

2015 war dann auch das Jahr, in dem die Tradition gesiegt hat. Nachdem sich Samsung in Europa wieder vom Fotoacker gemacht hat, stehen alle die doof da, die darauf gesetzt haben, dass zugunsten eines der innovativsten APS-C-Sensoren die gar nicht so großen Lücken im Objektivprogramm noch geschlossen werden. Bleibt zu hoffen, dass uns die Koreaner wenigstens als Sensorlieferant erhalten bleiben, sonst wird Sony zu mächtig in der Doppelfunktion als Zulieferer und Kamerahersteller. Panasonic hat das zumindest begriffen und die Sensorentwicklung wieder aufgenommen. Und darf sich auf die Schulter klopfen, dass man sich einst als Newcomer das Bajonett mit Olympus geteilt hat.

Wobei Tradition auch ganz schön anstrengend sein kann. Das sieht man gut an Pentax, dem Liebling aller Jahresausblicke: Ja, wir werden nächstes Jahr ein Pentax-Vollformatkamera erleben, aber wir werden bestimmt nicht erleben, das Pentax/Ricoh 2016 alles ausliefert, was angekündigt wurde. Gut Linse will Weile haben, selbst wenn sie gar nicht bei Pentax gebaut wird.

Hatte so wohl niemand erwartet: Die spiegellose Systemkamera Leica SL.

(Bild: Leica)

Noch was vergessen? Bestimmt. Die Industrie ja auch. Denn es gibt einen Trend, der sich ganz Landlust-biomäßig komplett vom Neumarkt zurückgezogen hat: den zum Analogen. Der Schwarzweißfilmabsatz steigt, während sich die letzten Kamerahersteller jenseits des Luxussegments vom (Neu-)Markt zurückziehen. Ebay freut sich und der Flohmarkt auch.

Vielleicht passt dazu auch der Trend zum Anfassen. Canon will 2016 mit einem DIN A2-Angriff auf Epson den Homeprinting-Markt wieder ankurbeln. Derweil bemühen sich Fuji, Impossible und Polaroid aus echten Smartphones und noch echteren Kameras allerechteste Sofortbilder herauszukitzeln. We press the Button und den Rest machen wir dann auch noch selbst.

Das Schönste am neuen Fotojahr sind aber die Neuheiten, mit denen jetzt noch niemand rechnet. Für Fuji-Kameras mit höherer Auflösung muss niemand die Glaskugel putzen, aber wer hätte 2014 schon an eine Leica SL gedacht. Ich nicht. Lag vielleicht am Kaffee. (ssi)