Vereinte Nationen: Online gegen Terroristen kämpfen

Regierungsvertreter, Strafverfolger und Terrorismusforscher tagten am UN-Sitz in New York. Gefordert wurde mehr Überwachung, mehr Zensur und mehr Gegenpropaganda gegen Terroristen. Auch eine Neuformulierung der Meinungsfreiheit wurde angesprochen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 57 Kommentare lesen
UN-Gebäude in New York

Das Counter-Terrorism Committee tagte vergangene Woche im UN-Hauptquartier in New York.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Szene aus den Sitzungen des Counter-Terrorism Committee der UNO.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Zwei Tage lang beschäftigte sich das "Counter-Terrorism Committee" der Vereinten Nationen vergangene Woche damit, wie man Terroristen die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) erschweren könne. Vor allem die Nutzung von Social Media für Propaganda, Rekrutierung, Finanzierung und interne Organisation von Terrorgruppen ist den Regierungen ein Dorn im Auge.

Gerufen wurde nach deutlich mehr Gegenpropaganda, neuen Strafgesetzen sowie strengerer Überwachung. Selbst eine Umformulierung der Menschenrechte zwecks leichterer Zensur wurde gefordert.

Zu den Anschlägen in Paris

Der russische Oberstaatsanwalt Timur Abregov war stolz, dass sein Land "Hunderte Terroristen-Websites" blockiere – und das ohne Mitwirkung eines Gerichts. "Wir müssen illegale Informationen blockieren. [...] Wir müssen Bürger vor gewaltsamem Terrorismus schützen. Wir arbeiten mit Twitter, Facebook, etc. Aber sie blockieren nicht immer die Informationen", fand der Jurist dennoch Grund zur Klage.

Es brauche mehr Überwachung, um "radikale Gedanken" zu bekämpfen, war von chinesischer Seite zu hören. Neue Anti-Terror-Gesetze sind im bevölkerungsreichsten Land der Erde bereits in Arbeit.

Frédérick Douzet vom französischen Institut für Geopolitik berichtete, dass die französische Regierung bisher 89 Webseiten offline nehmen konnte. Das sei aber nur "ein Tropfen im Meer". Laut dem Magazin Der Spiegel seien Satelliten wichtig für den Internetzugang des IS, erzählte Douzet. Daher möchte die Professorin die Satellitenbetreiber dazu bringen, IS-User zu lokalisieren und zu tracken.

"Unsere neuen Gesetze vom Juli haben unser Arsenal zur Aufdeckung von verdächtigen Aktivitäten gestärkt", freute sich der per Videokonferenz zugeschaltete französische Generalstaatsanwalt François Molins. Mit Big Data zum Beispiel sollten die Geheimdienste auf Einzelpersonen zielen. Noch sei es aber zu früh, den Erfolg dieser Maßnahmen beurteilen zu können. Die Terroranschläge vom November erwähnte er dabei nicht.

Meinungsfreiheit bezeichnete Molins als wichtig. Sie könne aber gewissen formalen Einschränkungen unterworfen werden.

Die pakistanische Ministerin Anusha Rahman Khan

(Bild: Daniel AJ Sokolov )

Die pakistanische Ministerin für IT und Telekommunikation, Anusha Rahman Khan, sorgte sich über Schwierigkeiten bei der Zensur: "Wie beschreiten wir den schmalen Grat zwischen Hassrede und freier Rede? [...] Wie gehen wir mit den Verfechtern der Meinungsfreiheit um, während wir das bestrafen, was wir als Hassrede oder terroristische Botschaft einstufen?"

Die Ministerin war offensichtlich genervt von Zensurgegnern. Die Politikerin stellte eine Neufassung der Meinungsfreiheit in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in den Raum. Dieser Ball wurde in der Sitzung nicht ausdrücklich aufgegriffen. Das kann aber auch daran liegen, dass sich die Diplomaten oft auf das Verlesen vorbereiteter Texte konzentrierten.

Die bei der OECD angesiedelte "Financial Action Task Force on Money Laundering" (FATF) forderte neue Regeln für Crowdfunding-Plattformen. Diese sollten den Behörden Finanztransaktionen melden müssen. Einige Staaten würden dies bereits erwägen.

Die türkische Regierung will unterdessen leichter herausfinden, wer welche IP-Adresse benutzt. Dafür sei "internationale Zusammenarbeit sehr wichtig". Immerhin hielt ein US-Diplomat an anderer Stelle fest, dass das Internet nicht als Problem betrachtet werden solle.

Szene vom zweiten Sitzungstag

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Monika Bickert, Facebooks "Head of Policy Management", warnte vor mehr Zensurgesetzen. Denn diese würden die Eigeninitiative von IT-Unternehmen bremsen. "Die Antwort kann nicht sein, dass wir die Propaganda einer Gruppe entfernen", sagte Bickert. "Wir müssen diese Gruppen bloßstellen."

Microsofts Vice President Steve Crown betonte den Unterschied zwischen stark zensierten Plattformen wie Xbox Live und der hauseigenen Suchmaschine, für die das nicht gelte. Grundsätzlich seien die neuen Plattformen als Entwicklungen wie "das Feuer, das Rad oder die Druckerpresse" zu sehen. "Wir müssen zusammen daran arbeiten, dass Informations- und Kommunikationstechnologien vorwiegend für gute Zwecke eingesetzt werden."

Under-Secretary-General Jeffrey D. Feltman

(Bild: United Nations CC-BY-SA 3.0)

Eine Sprecherin des Al-Kaida-Monitoring-Teams, das im Auftrag des UNO-Sicherheitsrates die Internetnutzung von Individuen und mehr als 75 Terrorgruppen überwacht, bezeichnete das Internet als "Schweizer Taschenmesser für Terroristen". Und sie sorgte sich über "böse Anwendungen des Internets [...] wie Verschlüsselung."

Einen Kontrapunkt setzte später ein Mitarbeiter des Hochkommissars für Menschenrechte: "Verschlüsselung wird auch von der organisierten Kriminalität und Terroristen genutzt. Und das wird weiter zunehmen, ob die Regierungen das wollen oder nicht. Verschlüsselung bleibt und auch gesetzestreue Bürger werden sie häufiger verwenden, um ihre Privatsphäre zu schützen. Wir müssen daher neue Wege finden, um die Sicherheit zu erhöhen."

Jeffrey Feltman, einer der Under-Secretary-Generals der UNO, reklamierte, dass "der Respekt für Menschenrechte und Freiheiten zentraler Bestandteil unserer Antworten" auf Terrorismus sein müsse. Ähnlich äußerte sich Jean-Paul Laborde, Executive Director des "Counter-Terrorism Executive Directorate" der UNO: Gegenmaßnahmen "müssen innerhalb der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit getroffen werden, weil das genau der Grund ist, darum wir Da-esh bekämpfen." (ds)