Europäisches Patentamt will mit neuem Einheitspatent bald loslegen

Das Europäische Patentamt sei "rechtlich und technisch bereit", 2016 erste EU-Patente zu vergeben, erklärte Behördenchef Benoît Battistelli. Verlängerungsgebühren belaufen sich auf 35.555 Euro. Intern herrscht weiter Unfrieden.

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Europäisches Patentamt will mit neuem Einheitspatent bald loslegen
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Der Präsident des Europäischen Patentamts (EPA), Benoît Battistelli, sieht die Behörde auf gutem Weg, von Ende 2016 an die ersten Einheitspatente vergeben zu können. "Das EPA ist jetzt rechtlich und technisch bereit", sagte der Franzose dem Magazin The Parliament. Das neue gewerbliche Schutzrecht werde dann vermutlich zunächst automatisch in 26 Mitgliedsstaaten der EU gelten, da auch Italien inzwischen an Bord sei. Noch umzusetzen seien die Bestimmungen für ein Patentgericht.

Italien war anfangs zusammen mit Spanien vor allem wegen der geplanten Übersetzungsvorgaben gegen das Vorhaben gerichtlich vorgegangen. Beide Länder hatten damit aber keinen Erfolg, Spanien scheiterte auch mit einem zweiten Anlauf vor dem Europäischen Gerichtshof. Auch Kroatien hat dem Einheitspatent bislang nicht seinen Segen erteilt. Es erstreckt sich zudem nicht auf die elf weiteren Mitglieder der Europäischen Patentorganisation (EPO) einschließlich etwa der Schweiz oder der Türkei. Die EPO trägt das EPA als zwischenstaatliche Vereinigung.

Der EPO-Verwaltungsrat, der das Patentamt kontrolliert, hat auf seiner jüngsten Sitzung Mitte Dezember die Regeln für die Verlängerungsgebühren für das Einheitspatent festgelegt. Wer das Schutzrecht über seine maximal mögliche 20-jährige Laufzeit aufrecht erhalten will, muss demnach 35.555 Euro bezahlen. Zunächst hatte das EPA Beträge zwischen 38.000 und 44.000 Euro ins Spiel gebracht, was den Mitgliedsstaaten aber offenbar zu hoch erschien. Nicht eingerechnet und noch nicht ausgewiesen sind die Gebühren, die das Amt berechnen will, um Patentanträge zunächst zu prüfen und eine Suche zum Stand der Technik durchzuführen.

Battistelli spricht trotzdem bereits von Kostenreduzierungen zwischen "70 bis 80 Prozent" durch das Einheitspatent. Die Gebühren, um ein Patent in den EU-Mitgliedsstaaten derzeit zu beantragen und 20 Jahre lang aufrecht zu erhalten, beliefen sich auf 159.000 Euro.

Mit der Realität der meisten Anmelder hat dies aber nichts zu tun: Bei dem derzeit vom EPA vergebenen Bündelpatent wählt der Großteil der "Kunden" fünf oder sechs EU-Staaten aus, in denen der Anspruch gültig sein soll. Für diese Klientel dürften die Verlängerungskosten nur marginal sinken, das Schutzrecht künftig theoretisch aber eben deutlich mehr Länder einbeziehen. Patente müssen in den einzelnen Staaten aber auch noch konkret beansprucht werden, was zusätzlich kostet. Insgesamt sind die Kosteneinsparungen, mit denen das Einheitspatent auch von der EU-Kommission angepriesen wird, Praktikern zufolge deutlich übertrieben.

"Besorgt" zeigte sich der Verwaltungsrat mit vergleichsweise deutlichen Worten "angesichts des verschlechterten sozialen Klimas" innerhalb des Patentamtes. Der Haussegen hängt seit Langem insbesondere wegen neuen "Effizienzvorgaben" und internen Kontrollsystemen für die Mitarbeiter schief, seit dem Herbst wirkt das Klima zwischen der Führung und der Belegschaft zunehmend vergiftet. Im November setzte die Behörde die Spitze der Internationalen Gewerkschaft der Institution (Suepo) vor die Tür und enthob sie ihrer Tätigkeiten, was zu mehreren Protestkundgebungen führte.

Der Verwaltungsrat hofft nun, dass sich die Situation mit einer "unabhängigen externen Sozialstudie", die nun eingeleitet werden soll, deutlich entspannt. Zugleich hat er aber Öl auf die Flammen gegossen, indem er die Befugnis für den EPA-Präsidenten, Mitarbeiter zu suspendieren, von vier auf 24 Monate verlängerte. Der Zentrale Personalausschuss hat in einer heise online vorliegenden Stellungnahme Mitte Dezember zudem die Frage aufgeworfen, was eine "Sozialstudie" bewirken solle in Zeiten, in denen Beschäftigte und Gewerkschaftler vor ein Untersuchungskomitee gezerrt, "krank gemacht" und voraussichtlich gefeuert würden.

Wichtiger wäre es, dass der Mitarbeiterschutz prinzipiell endlich auf ein "normales Niveau" angehoben würde, wie es etwa am EPA-Stammsitz Deutschland gelte. Die Bundesregierung habe auch eine spezielle Verantwortung, den "inakzeptablen Stand der Dinge" in dem Amt zu beenden. Um sie daran zu erinnern, hat die Suepo die Belegschaft zur nächsten Großdemonstration am 20. Januar in München aufgerufen.

Die Behörde hat derweil darauf hingewiesen, ein Programm, mit dem Anmelder kostenlos eine "beschleunigte Bearbeitung" eingereichter vollständiger Unterlagen beantragen können, "gestrafft" und "optimiert" zu haben. Zudem habe man dieses sogenannte Pace-Verfahren an die noch junge Priorisierungsinitiative "Early Certainty from Search" angepasst. Damit soll auf Anregung Microsofts zunächst in einem Pilotprojekt zehn großen Antragstellern ein "besserer Service" geboten werden. Laut Kritikern profitieren so vor allem ausländische Großkonzerne von einer "VIP-Behandlung". (anw)