Roboter gegen Kofferbomben

Wenn die Polizei einen verdächtigen Gegenstand findet, muss noch oft ein menschlicher Experte entschärfen. Ein neues System des Fraunhofer FHR kann in Koffer schauen.

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Wenn die Polizei einen verdächtigen Gegenstand findet, muss noch oft ein menschlicher Experte entschärfen. Ein neues System des Fraunhofer FHR kann in Koffer schauen.

Entdecken Polizei oder Sicherheitsleute im öffentlichen Raum wie in Bahnhöfen, Innenstädten oder Flughäfen ein herrenloses Gepäckstück, müssen bei erhöhter Sicherheitslage Bombenexperten her, um es zu untersuchen und gegebenenfalls unschädlich zu machen.

Roboter sind schon seit Längerem in solchen Bombenentschärfungstrupps der Polizei im Einsatz. Allerdings sind die Geräte bislang noch nicht sonderlich smart, sondern werden nur ferngesteuert, um beispielsweise verdächtige Pakete zu öffnen – ohne dass der Bombenexperte sich selbst in Gefahr bringen würde, der sonst nah an den verdächtigen Gegenstand herankommen müsste.

Bei der Sprengstoffbeseitigung muss noch zu häufig der Mensch ran.

(Bild: Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen)

Das Fraunhofer-Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik (FHR) in Wachtberg arbeitet nun an einem leistungsfähigeren digitalen Entschärfer auf Rollen. Das Projekt läuft in Zusammenarbeit mit den Industriepartnern ELP GmbH und Hentschel System GmbH, der Leibniz Universität Hannover sowie dem Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen. Das Bundeskriminalamt Wiesbaden und die Bundespolizei beraten die Macher des Projekts zusätzlich.

Der neue Entschärfungsroboter des FHR besitzt eine hochauflösende Digitalkamera, eine Raumerkennung über 3D-Sensoren und einen eingebauten Millimeterwellenscanner, der Gegenstände vor Ort durchleuchten und die Bilder und Daten an die Ermittler schicken kann. So erhalten diese ein Bild der möglichen Sprengfalle, bevor sie entscheiden, was zu tun ist.

Sitz des Fraunhofer-Instituts für Hochfrequenzphysik und Radartechnik in Wachtberg.

(Bild: Fraunhofer)

"Mit bisherigen Verfahren lassen sich Kofferbomben nicht dreidimensional darstellen, eine räumliche Zuordnung des Inhalts ist nicht oder nur bedingt möglich." Mit der Sensor-Suite könne die Polizei das Innere eines Gepäckstücks dagegen endlich dreidimensional visualisieren und feststellen, aus welchen Teilen die mögliche Bombe besteht und wie diese im Gepäck angeordnet sind, sagt der Projektkoordinator Stefan Lang. Er ist Teamleiter des Bereichs Sensorsysteme für Sicherheitsanwendungen am FHR, Experte für die Entwicklung von Millimeterwellenscannern und Hochfrequenzsensoren und spricht für das Institut zum Thema Sicherheit.

Der Millimeterwellenscanner ist eine Eigenentwicklung des FHR und soll anderen Systemen wie Terahertz-Scannern im Alltagseinsatz überlegen sein. So lassen sich damit wie erwähnt Kofferinhalte dreidimensional darstellen.

Bombenroboter im Einsatz

(Bild: Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen)

"Bei dem Radar wenden wir das SAR-Prinzip an, kurz für Synthetic Aperture Radar. Bei diesem Verfahren wird der Sensor über eine Trajektorie, eine Art Wegstrecke, bewegt – also beispielsweise von links nach rechts vor dem Koffer – und die so generierte Dopplerinformation für die Bilderzeugung benutzt", so Lang. Das System erlaube eine sehr hohe Tiefenauflösung.

Bis April soll ein Demonstrator des Scanners fertig sein, Praxistests mit der gesamten Sensor-Suite werden jedoch noch bis mindestens 2017 dauern. Ein System, das eine schnelle Einschätzung der Gefahrensituation ermöglicht und Gepäckinhalt, Gepäckform sowie die Umgebung dreidimensional erfasse, würde die Arbeit der Bombenentschärfungsspezialisten deutlich erleichtern, sagen Lang und sein Team. (bsc)