Transmediale: Instrumentalisierung der Maker-Szene befürchtet

Die Maker-Bewegung drohe kommerzialisiert und von ihrem Do-it-yourself-Ethos entfremdet zu werden, warnen Forscher. Sie wehren sich gegen die Logik, dass jeder mit 3D-Druck ein Geschäft machen und ein Startup gründen müsse.

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3D-Druck, Glas
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Experten sehen die zunehmende Kommerzialisierung der Maker-Community kritisch. Dass sich rund um die 3D-Druck-Enthusiasten und Bastler mit Laserschneidern in "Fab Labs" eine "Industrie" mit eigenen Messen und Magazinen entwickle, gehe noch in Ordnung, konstatierte der US-Historiker Kazys Varnelis am Donnerstag auf dem Medienkunstfestival Transmediale in Berlin. Was ihn ernsthaft störe, sei das Unterfangen einiger selbsterkorener Vorreiter der Szene, allen Beteiligten einzureden, sie müssten Maker-Startups hochziehen und den Do-it-yourself-Gedanken (DIY) kapitalisieren.

Vor allem der TechShop-Chef Mark Hatch predige in seinem "Maker Movement Manifesto " eine solchen "Zwang" zur Geschäftsgründung, monierte der Direktor des Network Architecture Lab. Es gehe in derlei Schriften nicht mehr darum, in seiner Freizeit mit Computer und 3D-Drucker Ideen zu verwirklichen und mehr oder weniger brauchbare Gegenstände zu schaffen, sondern darum, wirtschaftlich "den Jackpot" zu knacken. Da bleibe dann nichts mehr übrig vom Ethos der freien Software und dem Open-Source-Ansatz, die sich in der DIY-Gemeinde breit gemacht hätten.

Varnelis empfahl den Makern, die er in der Tradition von Gärtnern, Volksmusikanten, Köchen, Näherinnen oder Hackern verankert sieht, "informationelle Kriegsführung" als Gegenmittel. Es müsse darum gehen, "Störungen in das System einzubringen". Als Vorbilder nannte er Kunstprojekte, bei denen ein per 3D-Druck gefertigter Regenschirm mit Infrarotstrahlen Überwachungskameras "blendet" oder in eine Hauswand eingefügte USB-Sticks als "tote Briefkästen" fungieren. Auch Wettbewerbe mit Robotern, die sich gegenseitig bekämpfen, könnten die Grenzen des Systems austesten.

Mithilfe genetischer Algorithmen, die über eine eigene Logik des Bastelns und Ausprobierens eine künstliche Evolution vorantrieben, würden Störungen selbst Teil des Verfahrens, gab die Paderborner Mediensoziologin Jutta Weber dagegen zu bedenken. Solche Rechenroutinen interpretierten die Welt als wachsenden Suchraum und bemühten sich, die impliziten Regeln einer Umgebung durch Interaktion über die Trial-and-Error-Methode zu erlernen. Sie seien darauf erpicht, "unsere Zukunft vorzukonfigurieren". Angewendet würden derlei Algorithmen etwa im Data Mining, um Tötungslisten für den Drohnenkrieg oder "No Fly"-Datenbanken zu produzieren.

Angesichts einer solchen Techno-Rationalität, die sich auch in der Maker-Szene breitmache, hält Weber es für entscheidend, einfach mal innezuhalten und unproduktiv zu sein. Ihr Rat: "Ausloggen und die Zukunft ungeschrieben lassen".

Der finnische Designer Tuomo Tammenpää erinnerte an die ursprünglichen Antriebskräfte der aktuellen Maker-Community, in die er seit 2002 über "Kunst mit Mikrocontrollern" involviert sei. Es sei anfangs darum gegangen, "bestehende Produkte erweitern, lustige Geräusche mit der E-Gitarre machen und die Technik zu entmystifizieren". Mit der Arduino-Plattform und Raspberry Pi hätten sich dann "mehr Geschäftsmöglichkeiten" eröffnet: "Dieses DIY-Hacking-Ding wurde plötzlich Maker-Kultur genannt" und habe sich mit der Open-Hardware-Entwicklung "professionalisiert". Tammenpää verdient inzwischen selbst Geld als Berater für Maker-Konferenzen, möchte prinzipiell aber lieber zurück zur "reinen" Graswurzelbewegung mit mehr "Spaßfaktor".

Laut Tammenpääs britischer Kollegin Jocelyn Bailey, die viel mit dem öffentlichen Sektor zusammenarbeitet, macht der Maker-Gedanke auch davor nicht mehr halt. Dies zeige sich etwa an der wachsenden Beliebtheit von Programmierwettbewerben im Verwaltungsbereich, um etwa Apps für offene Daten zu fabrizieren. Wenn die "Hackathon-Mentalität" auf alle staatlichen Dienste übertragen werde, tue dies einer Demokratie aber nicht gut. So erwarte man in Großbritannien inzwischen etwa auch von Junior-Professoren, dass sie mit weniger Geld auskommen und sich und ihre Studenten quasi durch den Bildungsdschungel "hacken" könnten.

In die echte DIY-Kultur wachse man langsam hinein, eine solche lasse sich nicht durch das ein oder andere Codefest oktroyieren, ergänzte Tammenpää. Auf Befehl etwas zusammenzuhacken, funktioniere nicht. Zudem gehörten zum Programmierprozess viele Bugs dazu, sodass man solche Verfahren nicht auf den demokratischen Prozess übertragen sollte.

Die bis zum Sonntag laufende Transmediale hat dieses Jahr kein festes Motto. Sie versteht sich als "Konversationsraum" und Salon, in dem vor allem Ängste und Unsicherheiten des spätkapitalistischen Systems und damit verknüpfte Worthülsen wie "Krieg gegen den Terror", "Big Data" oder "Flüchtlingskrise" analysiert werden sollen. (kbe)