Sportfahrer sind die angenehmsten Kraftfahrer

Es lebe der Sport

Motorradfahrer lästern am liebsten übereinander. Weil der Sportfahrer ein so beliebtes und robustes Ziel des Spottes ist, wollen wir einmal eine Lanze für ihn brechen, denn es sind die angenehmsten aller Kradisten

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Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

"Ich bin KEIN Hipster!", ruft circa jeder Mann mit geöltem Bart, Skinny Jeans und altem Motorrad, wenn man ihn – meistens versehentlich, seltenst böswillig – mit dem als übel wahrgenommenen H-Wort brandmarkt. Dafür, dass die ... nennen wir sie: Kradkultisten mittlerweile eine der Hauptströmungen der Szene sind, zeigen sie sich bemerkenswert dünnhäutig. Nicht einmal die extrem empfindlichen Dschobberisten können da noch mithalten, obwohl sich die beiden Gruppen großflächig überschneiden. Ja, das wollen beide Seiten jetzt nicht hören, weil eben unerwünschte Wahrheiten am meisten kneifen in der Skinny Jeans.

Wie viele Menschen, die schlecht einstecken können, teilen die Kultisten hochmotiviert aus. Ihr liebstes Ziel ist der Fortschritt, der ihnen die Skinny Jeans mit ihrem Elasthan-Denim erst möglich machte. Fortschritt ist scheiße, und als Symbol des Fortschritts in der Motorradszene gelten immer noch die Superbikes, die damit auch scheiße sind. Die Argumentation geht so: "Wo soll das noch hinführen mit immer schneller und besser, früher wars doch auch ganz schön rhabarberrhabarber ..." Es ist ein exemplarisches Strohmann-Argument, denn das Segment supersportlicher Motorräder ist ja seit Jahren total am Abkacken. Die Spitzenleistung der Sportkräder diktiert längst nicht mehr den Takt der Szene.

Ich denke, jeder Mensch ist gelegentlich überfordert und wird daher das Bedürfnis des Kultisten nach romantischer Vergangenheitsverklärung und generell einem einfacheren Leben aus dem Manufaktum-Katalog verstehen. Nur soll das nicht die einzige Meinung im Chor des Diskurses sein. Ich möchte daher eine Lanze für die Sportfahrer brechen.

Sport ist gut

Ich liebe es, schnell Motorrad zu fahren, denn nirgends finde ich schneller in einen Flow-Zustand als dort. Diese Tatsache ist unbehindert einer zweiten Tatsache: dass ich als klassischer Hirnie wohl nie – in keiner Klasse – ein Rennfahrer werden kann. Ein Flow stellt sich glücklicherweise jedoch auf dem aktuellen Könnens-Niveau des jeweiligen Hirns ein, sodass eine Umschulung unnötig ist. Ich kenne auch einige andere Gernschnellfahrer. Allen ist gemein, dass sie gerne viel fahren. Wenn ich mit Tourenfahrern ausrücken muss, fahren wir eigentlich immer nur zum Kaffee trinken. Kaffee scheint die Hauptsache, Fahren eine Nebensache. Wenn ich dagegen mit dem Kollegen Toby fahre, sagt er zum Kaffee eigentlich immer: "Lass uns lieber fahren statt Kaffee trinken."