Abgas-Skandal: Staatsanwaltschaft weitet Ermittlungen bei VW aus

Die Mitarbeiter hörten auf der dritten VW-Betriebsversammlung seit Beginn der Abgas-Krise Mut machende Worte – aber zumindest für einige gab es schlechte Nachrichten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 36 Kommentare lesen
Abgas-Skandal: Staatsanwaltschaft weitet Ermittlungen bei VW aus

VW-Mitarbeiter auf dem Weg zu einer Betriebsversammlung (Archiv)

(Bild: dpa / Julian Stratenschulte)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Ein halbes Jahr nach dem Ausbruch der Abgas-Krise bei Volkswagen sind die weltweiten Konsequenzen für Konzern und Mitarbeiter weiter nicht absehbar. Die Botschaft von Vorstandschef Matthias Müller, Betriebsratschef Bernd Osterloh und Aufsichtsrat Stephan Weil bei der dritten Betriebsversammlung seit Bekanntwerden des Skandals an mehr als 20.000 Beschäftigte im VW-Stammwerk war am Dienstag deshalb klar: aufmuntern, Reihen schließen und aufklären.

Zumindest für einige Mitarbeiter von VW gab es an diesem Tag schlechte Nachrichten von der Staatsanwaltschaft Braunschweig. Die Ermittlungsbehörde hat im Zusammenhang mit dem Abgas-Skandal den Kreis der Beschuldigten stark ausgeweitet.

Die Zahl habe sich in den vergangenen Tagen von sechs auf 17 erhöht, sagte Oberstaatsanwalt Klaus Ziehe der dpa. Zuvor hatten Zeitungen der Funke-Mediengruppe darüber berichtet. Unter den Personen sei aber nach wie vor kein Vorstandsmitglied.

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hatte voriges Jahr im September ihre Ermittlungen bei VW aufgenommen. Der VW-Vorstand war bereits über Software-Manipulationen in Dieselfahrzeugen informiert, bevor der Skandal öffentlich wurde, berichteten Medien. Offenbar hatte er gehofft, eine Lösung im Stillen aushandeln zu können.

"Ich will Ihnen heute Mut zusprechen", sagte Müller derweil auf der Versammlung. "Volkswagen war in der Vergangenheit immer wieder mit großen Herausforderungen konfrontiert." Es sei aber auch immer wieder gelungen, sich in Krisenzeiten neu auszurichten, "zu restrukturieren und – zum Beispiel durch neue Aufgaben – für sichere Beschäftigung zu sorgen".

Der VW-Chef rief alle Verantwortlichen und Mitarbeiter zur Geschlossenheit auf. Mit Blick auf die Medien kritisierte er, dass dort oft zu zugespitzt oder einseitig über die Krise berichtet werde.

Trotzdem überschatteten Sorgen um die Sicherheit der Jobs die Betriebsversammlung, die in großen Teilen für die Medien zugänglich war. "Sollte die Zukunftsfähigkeit von Volkswagen durch eine Strafzahlung in bislang einmaliger Höhe nachhaltig gefährdet werden, wird dieses auch dramatische soziale Folgen haben – nicht nur an unseren US-amerikanischen Standorten, sondern auch in Europa und anderswo", sagte Osterloh. VW hoffe sehr, dass die US-Behörden auch diese soziale und beschäftigungspolitische Dimension im Blick haben.

In den USA, wo die Manipulationen um die Abgase aus Dieselfahrzeugen im vergangenen Herbst zuerst ans Licht gekommen waren, drohen dem VW-Konzern Strafen in Milliardenhöhe. Die Vereinigten Staaten selbst, mehrere Bundesstaaten und viele Zivilkläger gehen dort gegen VW vor.

Chronologie des Abgas-Skandals (78 Bilder)

Mitte September 2015:  Die US-Umweltschutzbehörde EPA beschuldigt den Volkswagen-Konzern, Diesel-PKWs der Baujahre 2009 bis 2015 mit einer Software ausgestattet zu haben, die die Prüfungen auf US-amerikanische Umweltbestimmungen austrickst. Zu ähnlichen Untersuchungsergebnissen ist auch das California Air Resources Board (CARB) gekommen. Beide Behörden schicken Beschwerden an VW. (Im Bild: Zentrale der EPA in Washington D.C.)
(Bild: EPA
)

Anders als daheim ist ein Plan für die Nachbesserungen an den etwa 600.000 manipulierten US-Wagen noch nicht unter Dach und Fach. Weltweit sind mehr als 11 Millionen Fahrzeuge vom Diesel-Skandal betroffen. In Deutschland laufen seit einigen Wochen erste Rückrufe.

Niedersachsens Ministerpräsident und VW-Aufseher Stephan Weil (SPD) betonte, die Zeit schlechter Nachrichten infolge der Krise sei wohl noch nicht vorbei: "Wir werden in diesem Jahr immer mal wieder mit unangenehmen Nachrichten im Zusammenhang mit "Dieselgate" konfrontiert werden." Details zu seiner Warnung nannte Weil aber nicht. Das Land Niedersachsen ist – nach den Familien Porsche und Piëch – zweitgrößter Aktionär bei Europas größtem Autobauer.

Zur Lage der Leiharbeiter erklärte Weil, dass die Verantwortung von VW nicht mit dem Ausscheiden aus dem Konzern ende. Zuletzt waren die Verträge von Leiharbeitern in den Werken Hannover und Emden nicht verlängert worden. Die für ihre Betreuung und Vermittlung zuständige Firma Autovision müsse den Betroffenen Beschäftigungsmöglichkeiten an anderen Stellen eröffnen, forderte Weil. Glücklicherweise sei der Arbeitsmarkt in Niedersachsen "derzeit ausgesprochen aufnahmebereit". (mit Material der dpa) /

(anw)