Koalition streitet weiter über WLAN-Gesetz und Störerhaftung

Nach dem Vorentscheid am EuGH gegen die Störerhaftung für Anbieter offener Funknetze erscheint der SPD eine Einigung über die geplante Reform des Telemediengesetzes nahe. Die CDU will Provider aber nicht pauschal privilegieren.

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Koalition streitet weiter über WLAN-Gesetz und Störerhaftung

(Bild: dpa, Stephanie Pilick)

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Die SPD sieht sich mit dem Schlussplädoyer des Generalanwalts Maciej Szpunar am Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen die Störerhaftung von Hotspot-Betreibern in ihrem Kurs für die Reform des Telemediengesetzes (TMG) gestärkt. Lars Klingbeil, Netzexperte der SPD-Bundestagsfraktion, erklärte, Szpunar habe klargestellt, dass Hotspot-Anbieter "grundsätzlich nicht für Rechtsverletzungen von Nutzern haften und ihr Netz auch nicht verschlüsseln müssen". Der Sozialdemokrat geht so davon aus, dass sich Schwarz-Rot damit zügig auf Korrekturen am umstrittenen Regierungsentwurf für ein WLAN-Gesetz einigen kann.

Gemeinsam mit dem Bundesrat und Rechtsexperten setzt sich die SPD-Fraktion dafür ein, die Anbieter offener Funknetze im Prinzip ganz von der Störerhaftung zu befreien. Diese sollen nicht verpflichtet werden, Sicherungen wie eine Routerverschlüsselung einzubauen und Nutzer abzuverlangen, in Vertragsbedingungen einzuwilligen. Bisher kamen die Sozialdemokraten damit beim Koalitionspartner nicht weiter, sodass sich die Reform seit Monaten verzögert. Mit dem Rückenwind aus Luxemburg hofft die SPD nun, dass CDU und CSU einlenken.

Die mahnen aber weiter zur Vorsicht. "Die Variante, Provider von allen Verpflichtungen freizustellen, müssen wir erst europarechtlich prüfen lassen", betonte der internetpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Thomas Jarzombek, gegenüber heise online. Der Generalanwalt habe unterstrichen, dass die Grundrechte auf freie Meinungsäußerung und auf Urheberrechtsschutz miteinander abgewogen werden müssten. CDU/CSU plädierten daher dafür, dass WLAN-Anbieter Nutzer zumindest über eine "Vorschaltseite" auf die Rechtsbestimmungen aufmerksam machen sollten.

Folge man dem SPD-Ansatz, würden die Rechteinhaber ihrerseits bald unter Verweis auf die EU-Richtlinie zur zivilrechtlichen Copyright-Durchsetzung klagen und gegebenenfalls beim EuGH landen, befürchtet Jarzombek. Daher müssten Zugangsanbieter zumindest dokumentieren, dass sie diesen EU-Vorgaben entsprechen. Auch könne der Gesetzgeber das Urteil des Bundesgerichtshofs zu Websperren im Kampf gegen Urheberrechtsverstöße nicht einfach ignorieren, zumal auch der Antrag Szpunars dafür Hintertüren öffne. Das erwartete EuGH-Urteil wird laut dem Christdemokraten daher den gegenwärtigen Verhandlungsstand zur Änderung des Telemediengesetzes wohl nur bestätigen.

Eine Pflicht, eine Vorschaltseite einzubauen, gilt in SPD-Kreisen als reine Symbolpolitik, die allenfalls mehr Rechtsunsicherheit schaffe. Auch sonst gebe es noch weitere Reibungspunkte rund um den Entwurf mit der CDU/CSU. Laut Jarzombek hat die Union angeboten, eine besonders umkämpfte Klausel zu streichen, mit der die Bundesregierung die Haftung für "gefahrgeneigte Dienste" wie Filehoster oder Cloud-Dienste generell verschärfen will. Auf SPD-Seite ist diese Botschaft bislang nicht so klar angekommen.

Oliver Süme, Vorstand Politik und Recht des eco-Verbands der Internetwirtschaft, geht derweil davon aus, dass eine EuGH-Entscheidung im Sinne des Schlussantrags "das faktische Aus der Störerhaftung für private Betreiber von WLAN-Hotspots bedeuten könnte". Identifizierungspflichten und "die Speicherung von IP-Adressen" von Nutzern seien nach Ansicht des Generalanwalts ebenfalls "unverhältnismäßig und ineffektiv".

Die Bundesregierung sollte dieses klare Signal nutzen, "um schnellstmöglich ihren innovationshemmenden Gesetzentwurf zu überarbeiten". Sonst werde Deutschland aus Angst vor Abmahnungen "zum Verlierer im internationalen Vergleich" der Internet-Mobilität. Ganz ähnlich äußerten sich Sprecher der Grünen und der Piraten. Ein Parteimitglied der letzteren hatte den Stein in Luxemburg mit einer Klage in Deutschland ins Rollen gebracht.

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