Blaue Aufkleber werden die Welt retten!

Whatever happened to Bestandsschutz?

Die blauen Umweltzonen sollen noch in diesem Jahr in den ersten Städten ausgewiesen werden. Nix G'naues woaß ma neda darüber, wer dann hineinfahren darf, fest steht bisher nur: Der böse, böse Diesel eher nicht

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Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Stuttgart, 12. April 2016 – Gesetze schreiben bedeutet stets, verschiedene Rechtsgüter (wie wir sie in Rechtsstaaten nennen) gegeneinander abzuwägen. Wiegt das Bedürfnis der Anwohner nach Ruhe schwerer als das der Gemeinschaft nach besserer Straßen-Infrastruktur? Welche Art von Technik sollen wir fördern? Den Diesel? Die Photovoltaik? Beides? Und wenn wir schon dabei sind: Wie wichtig sei uns saubere Atemluft? Hierbei haben sich über die Zeit einige best practices herausgestellt, wie der Berater sagt – also legislative Mechanismen, die bestimmte Sorten von Problemen bewährt gut lösen. Eine dieser best practises ist der Bestandsschutz.

Es gibt den Bestandsschutz in vielen Bereichen des Rechts. Hier in dieser Autoecke des Netzes möchte ich über den Bestandsschutz in der Straßenverkehrszulassungsordnung sprechen. Wie so viele Bestandsschutz-Mechanismen hatten auch die entsprechenden Klauseln des Zulassungsrecht einen sehr sozialen Hintergrund: Wer einmal nach geltendem Recht ein Fahrzeug zugelassen hatte, erhielt damit eine gesetzliche Zusage, dass er es nach den zum Zulassungszeitpunkt gültigen Regeln betreiben durfte, selbst wenn sich diese Regeln später ändern. Der Käufer musste also keine Angst haben, dass eine Verschärfung der Abgasgesetze ihn zwingen könnte, sein kürzlich gekauftes Auto zum Schrottwert zu verkaufen und ein neues zu kaufen, nur um zur Arbeit fahren zu können. Das hat man gemacht, weil Autos für die meisten Menschen eine erhebliche Investition darstellen. Deshalb finden sich Analoga dazu zum Beispiel auch im Baurecht.

Aktionismus, dein Name ist "Umweltzone"

Der Weg, neue Häuser, neue Autos immer strengeren Regeln zu unterwerfen, ohne dass (mit sehr wenigen, vergleichsweise günstigen Ausnahmen) die alten Autos dadurch unbenutzbar werden, der hat meiner Ansicht nach sehr gut funktioniert. Die Luftqualität in Relation zum Verkehrsaufkommen in den Städten hat sich seit den Siebzigern, Achtzigern, Neunzigern dramatisch verbessert. Gleichzeitig gab der Bestandsschutz Autokäufern die nötige Sicherheit, sich ihre Mobilie zu leisten. Nun kann man aber mit nur etwas bösem Willen ganz einfach den Wortlaut des Bestandsschutzes achten und gleichzeitig seinen Sinn mit Füßen treten: Man schafft Umweltzonen, in die bestimmte Arten von Autos nicht mehr fahren dürfen. Sie behalten nach dem Bestandsschutz ihre Zulassung (ha-haa!). Du darfst halt nur nicht mehr damit zur Arbeit fahren.