Umdenken bei Elektroautos

Trotz der Begeisterung von Fachleuten und frühen Kunden ist der Marktanteil von Elektroautos noch immer winzig. Doch selbst billiger Sprit wird laut Experten nicht verhindern können, dass sie zum Massenphänomen werden.

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Von
  • Bradley Berman
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Seit etwa fünf Jahren sind die ersten Mainstream-Elektroautos auf dem Markt, doch das Verkaufsvolumen ist mit nur 115.000 Stück in den USA 2015 noch immer winzig. An der Spitze steht bislang der High-End-Anbieter Tesla. Anfang April hat er ein Modell für 35.000 Dollar vorgestellt, das weiter in den Massenmarkt vordringen soll.

Angesichts der stark gesunkenen Preise für Treibstoff könnte man meinen, dass sich der Tesla-CEO Elon Musk schwer damit tun wird, tatsächlich die Massen zu erreichen. Doch es gibt Anzeichen dafür, dass normale Kunden mehr Offenheit für Elektromobilität entwickeln werden, selbst wenn die Benzinpreise niedrig bleiben.

Volle Ladung bei Lithium-Ionen-Batterien:

(Bild: 

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Die Preise für Lithium-Ionen-Akkus sind im freien Fall. Bald, glauben Experten, ist eine kritische Marke erreicht. Die Akku-Revolution wird ganze Branchen durcheinanderwirbeln. Mehr dazu in:

Die Prognosen sind auf jeden Fall optimistisch. Laut einem aktuellen Bericht von Bloomberg New Energy Finance werden die sinkenden Kosten für Lithium-Ionen-Akkus den Marktanteil von Elektroautos bis 2040 auf 35 Prozent steigen lassen. Für Kalifornien, wo bereits jetzt überdurchschnittlich viele Elektroautos verkauft werden, sagt Navigant Research bis 2024 einen Anstieg ihres Anteils am Gesamtumsatz von heute 3 Prozent auf 15 bis 22 Prozent voraus; dies würde 5 Prozent aller Autoverkäufe in den USA ausmachen.

Heutige Elektroauto-Käufer wissen mehr über die Vorteile und Schwächen der Technologie als andere Verbraucher. Sie sind meist besser ausgebildet und haben höhere Einkommen als der Durchschnitt und interessieren sich weniger für das Auf und Ab der Benzinpreise. Für den Kauf haben sie sich entschieden, weil sie etwas gegen den Klimawandel tun wollen oder weil sie das Prestige suchen, das ein Tesla oder ein BMW i3 verspricht.

Diese Frühanwender bereiten den Weg für Mainstream-Kunden, und die Autohersteller stehen Schlange, um sie zu begrüßen. Derzeit gibt es auf dem US-Markt 12 reine Elektroautos und 14 Plug-in-Hybride. Die Pläne für neue Modelle sind ambitioniert: Bis Ende dieses Jahres wollen Audi, BMW, Cadillac, Chevrolet, Chrysler, Hyundai, Kia, Mercedes und Mitsubishi ungefähr zehn weitere herausbringen, die meisten davon Plug-in-Hybride.

Ein wichtiger Faktor für diese Zunahme sind strengere Emissionsvorschriften nach den Vereinbarungen der UN-Klimakonferenz in Paris, mit denen der globale Temperaturanstieg in diesem Jahrhundert auf 2 Grad Celsius begrenzt werden soll. Das erklärt Carlos Ghosn, Chef der Allianz Renault-Nissan. "Die einzige klar erkennbare Möglichkeit dafür liegt in massiver Elektrifizierung und Elektroautos", sagte er bei der Eröffnung der New York International Auto Show 2016 Ende März. "Einen anderen Weg gibt es nicht."

Laut Ghosn werden Regierungen weltweit Elektroautos durch höhere Kaufanreize und bessere Ladeinfrastrukturen deutlich stärker fördern. "Das ist der Grund dafür, warum alle Hersteller Elektroautos herausbringen", sagte er. Gleichzeitig rechnet er mit sinkenden Produktionskosten.

In den USA werden die Regeln der einzelnen Bundesstaaten großen Einfluss auf die Verkaufszahlen haben. Nach dem erstmals 1990 in Kraft gesetzten Zero Emission Vehicle Mandate dürfen in Kalifornien ab 2025 mindestens 15 Prozent aller verkauften Neufahrzeuge keinerlei lokale Emissionen verursachen. In Frage kommen dafür Elektroautos, Plug-in-Hybride und Brennstoffzellenautos mit Wasserstoff.

Letztlich werde es wohl darauf ankommen, normale Kunden besser aufzuklären, sagt Jeremy Michalek, Professor für Maschinenbau und Politik an der Carnegie Mellon University und Leiter ihrer Vehicle Electrification Group. Die neuen Elektroauto-Modelle und das Marketing dazu werden nach seinen Worten auch Mainstream-Kunden beeinflussen, die bislang wenig darüber wissen. Auf der Grundlage von historischen Verkaufsdaten entwickeln Michalek und seine Kollegen statistische Modelle, die verraten sollen, welche Merkmale von Autos Einfluss auf die Kaufentscheidungen haben.

Noch gelten Elektroautos laut Michalek als weniger attraktiv, doch diese Haltung der Verbraucher werde sich verändern, wenn die Preise fallen und die Reichweiten zunehmen. "Wir wissen, was Mainstream-Kunden heute denken, aber nicht, was sie nächstes Jahr denken werden", erklärt er. "Derzeit verändert sich das gesamte mentale Konzept darüber, was Elektroautos sind und welche Rolle sie im eigenen Leben spielen können."

(sma)