Alles ist besser in Italien

Italien

Alles ist besser in Italien. Zufällig verschlug es mich einmal wieder dorthin, und im unbezahlten, potenziell unbezahlbaren Maserati sitzend sinnierte ich darüber, warum das so ist. Wahrscheinlich Liebe

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Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

"You can never go wrong if you go to Italy", sagte der amerikanische Kollege am Tisch. Wir saßen zu Mittag irgendwo in der Gegend von Modena, aßen Pasta und schlossen das Verdauungssystem wieder in Richtung Arbeit mit einem Fingerhut reinster aufgebrühter Aufmerksamkeit ab. Der Amerikaner hatte ja so recht! Es machte mich traurig um seinetwillen, dass er so weit weg von dieser Nation des Glücks wohnte, dass er sie wahrscheinlich nicht wesentlich häufiger sehen konnte als ich Kalifornien. Umso schöner, dass er die Wahrheit erkannt hatte: Alles ist besser in Italien.

Bella figura

Auf dieser Reise fing das schon am Flughafen an. Ein sehr geschmackvoll gekleideter Mann in sehr interessanten Schuhen hielt in alter Flughafentradition ein Schildchen (beziehungsweise: ein Tablet, weil 2016) hoch, das ihn als meinen Taxifahrer auswies. Denn egal ob Chauffeur oder Firmenchef, in Italien gilt es als guter Ton, wenn jeder die "bella figura" gibt, also sich um einen guten Eindruck in Wort, Tat, Frisur, Bekleidung und Schuhwerk bemüht. Dieses soziale Konzept gehört zu den wichtigsten Gründen, warum Feste in Bergamo meistens so viel anders verlaufen als Feste in Stuttgart: Jeder gibt sich von seiner bestmöglichen Seite, auf dass dieses Bemühen das soziale Räderwerk schmiere. Wenn ich die schwäbische Bäckereifachangestellte ihre Fresse ziehen sehe, möchte ich sie am liebsten nach Italien zur Weiterbildung an eine Kuchentheke schicken. Aber dann lächle ich sie an, so gut ich kann, und sehe, dass man ein bisschen Italien vielleicht auch zu ihr bringen kann, wenn man es jeden Tag bis zum jüngsten Tag probiert.

Wer hat diesen Maserati bestellt?

Vom Terminal gehen wir zum Parkplatz des Autos. Einen guten italienischen Parker erkennt man an seinem laufnahen Platz an der Sonne auf einer schraffierten Fläche. Ich habe einen guten Parker. Er schließt einen Maserati Ghibli auf. Es hat niemand einen Maserati bestellt. Wer ihn bezahlen wird, ist ebenfalls unklar. Aber Planung und Realität gehen nicht überall die nüchterne Ursache-Wirkung-Beziehung ein wie in Deutschland. In Italien stehen sich Planung und Realität gegenüber wie ein Ehepaar im Streit, sie fuchteln mit den Armen, peitschen ihre schönen Haare durch die Luft und bewerfen sich mit Maschinengewehr-schnellen Kugelhageln von Vokalen. Am Ende kommt zwar nicht das heraus, was irgendjemand wollte, aber meistens etwas Interessantes, und man hat sich trotzdem lieb. Deshalb frage ich gar nicht weiter nach und genieße die Vollgassprints, die der Fahrer zwischen den ihm bekannten Radarstationen einlegt.