Kommentar zum Abgas-Skandal: Opel ist der falsche Schuldige

Nicht Opel trägt die Schuld an der vielfachen Abschaltung der Abgaseinrichtung seiner Modelle, sondern der Gesetzgeber, meint TR-Redakteur Karsten Schäfer.

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(Bild: Opel)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Karsten Schäfer
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Kommentar zum Abgas-Skandal von Karsten Schäfer

Karsten Schäfer, TR-Redakteur, hat den Glauben an saubere Verbrennungsmotoren längst verloren.

Der Abgas-Skandal beim Diesel ist, was er ist: ein handfester Skandal. Denn nach und nach stellt sich raus, dass die als klimafreundlich und sauber dargestellten Dieselmotoren in Wahrheit nie sauber waren und es wohl auch niemals sein werden.

Doch wer nun ausschließlich die Autohersteller an den Pranger stellt, verkennt das Problem. So sind etwa die jüngsten Entdeckungen der Kollegen vom Nachrichtenmagazin Spiegel und dem ARD-Politmagazin Monitor für Fachleute keine Überraschung. Denn die Hersteller nutzen lediglich Schlupflöcher, die ihnen der Gesetzgeber sehr bereitwillig lässt. Es wäre ein Leichtes, sie zu schließen. Nur tut es keiner aus Angst vor einem riesigen Industriezweig.

Juristisch betrachtet gelten die Abgasgrenzwerte in Europa nur für den Prüfzyklus, den Neuen Europäischen Fahrzyklus, kurz NEFZ. Der NEFZ ist eine bis ins kleinste Detail vorgegebene Schleichfahrt, die im innerstädtischen Teil bei 50 Stundenkilometern und im außerstädtischen bei 120 Stundenkilometern endet. Das heißt, über Tempo 120 gelten überhaupt keine Grenzwerte mehr. Aber auch unter 120 deckt der Fahrzyklus nur einen kleinen Teil der möglichen Betriebszustände der Motoren ab. Immer dann, wenn ein Auto schneller beschleunigt und der Motor höher dreht als im NEFZ vorgesehen, ist das eine Fahrt außerhalb des Prüfzyklus und damit ein Betriebszustand für den es keine Schadstoffgrenzwerte gibt.

Logischerweise legen die Hersteller die Abgasreinigung ihrer Autos so aus, dass sie sämtliche Grenzwerte im NEFZ einhalten. Die Stickoxid-Reinigung beim Diesel fahren viele Hersteller außerhalb des NEFZ zurück. Denn die wird aktiv von der Motorsoftware gesteuert und verbraucht je nach Katalysator-System entweder mehr Kraftstoff (NOx-Speicherkatalysator) oder mehr Harnstoff (SCR-Katalysator), auch Adblue genannt.

Das aber ist leider völlig legal. Schuld daran ist allein die Politik, die sich von der Autoindustrie schon seit Jahren viele Ausnahmen in ihre Gesetzestexte diktieren lässt. Man kann Lobbyarbeit von Firmen kritisieren, aber das eigentliche Fehlverhalten bleibt, ihr nachzugeben. Ganz ähnlich verhält es sich beim Thema "Thermofenster und Bauteilschutz". Auch den Bauteilschutz haben die Hersteller der Politik in die Verordnungen geschrieben.

So darf es eigentlich nicht verwundern, dass die Harnstoffeinspritzung beim SCR-Katalysator schon unter 17 Grad heruntergefahren wird. Denn im Stadtverkehr kann der SCR-Katalysator tatsächlich zu kalt werden, um ordnungsgemäß zu funktionieren. Das Problem ließe sich konstruktiv natürlich lösen. Aber für die Hersteller ist es viel einfacher, den Kat mit der Begründung des Bauteilschutzes herunterzufahren oder abzuschalten, denn das spart auch noch Harnstoff.

Wollte die Politik den Stickoxiden wirklich den Kampf ansagen, müsste sie Grenzwerte für jeden Betriebspunkt des Motors festlegen und dann auch überprüfen. Bei LKW-Motoren wird das schon seit Jahren so gemacht. Doch für PKW wäre die Abgasreinigung der Dieselmotoren dadurch viel zu teuer und der wirtschaftliche Vorteil wäre trotz Steuervergünstigungen beim Kraftstoff dahin.

Damit aber wäre der Diesel tot. Noch scheinen aber weder Politik noch Industrie das wahrhaben zu wollen. Denn einen Vorteil hat die Technik für beide: Die Motoren stoßen weniger CO2 aus. So mogeln sie lieber bei den gesundheitsgefährlichen Stickoxiden, um sich eine saubere Weste beim klimaschädlichen Kohlendioxid zu verschaffen.

Deshalb wird sich an dem hohen Stickoxidausstoß der Dieselmotoren wohl auch in Zukunft nur wenig ändern. Selbst wenn 2017 die sogenannten Real Driving Emissions (RDE), also die Messung und Überprüfung der Abgasschadstoffe auf der Straße, eingeführt werden, bleiben genug Betriebsbereiche des Motors, die nicht geprüft werden und für die es keinen Grenzwert geben wird. (bsc)