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Was war. Was wird. Vom Klimawandel, verbindenden Kulturgütern und schändlichen Keyloggern

Die Frau mit dem Haarhelm vermeidet ein Foto mit dem Problembären in Schönefeld. Weiter nördlich arbeiten sie eine Stalking-Affäre auf. Hal Faber verzichtet aus Respekt auf Tiefschläge.

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Was war. Was wird. Von oxymoronischen Botschaften und möglicherweise fliegenden Schweinen
Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Popcorn regelt. Aber Popcorn ist unberechenbar, ein Stück Chaostheorie voller Endosperm. "Diese Gewitter sind wie Popcorn und platzen überall auf", sagte der Meterologe hilflos im ZDF und sprach von einem "Tiefdrucksumpf". Prompt haben wir wieder das jährliche Jahrhunderthochwasser und Tote im Schlamm. Die im Mittelmeer und die vielen Toten dort können wir gleich hinzuzählen, denn auch hier ist der Klimawandel Auslöser des Geschehens. Man sollte sich daran erinnern können, dass der arabische Frühling abseits aller Twitter-Revolutionsromantik mit Protesten gegen die drastische Verteuerung von Lebensmitteln nach einer der größten Missernten Nordafrikas begann. Wieder einmal haben unsere Vorhersagesysteme, Computer und Rechenmodelle versagt, weil die Algorithmen nicht angepasst sind an die Realität, in der das Eis der Arktis so schnell schmilzt, dass der Anomalie-Graph aus dem Koordinatensystem wegtaucht. Rechnen mit dem Klimawandel ist schließlich bei weitem nicht so lukrativ wie etwa dieses autonome Fahren. Ach, wie gut, dass unsere Regierung Geld für hochpräzise Wetter-Apps ausgibt in ihrem datenbasierten Modernitätsfond, da steigen die Chancen, Unwetterwarnungen auf Smartphones zu liefern, sofern die Rechenmodelle stimmen. Dann freuen wir uns auf den Regenbogen nach dem Abzug des nächsten Jahrhundertgewitters.

*** Ach, wie schön ist Pana^H, äh, waren die strahlend blauen Himmel über der Berliner ILA. Der Problembär, äh, der Problemairbus war da und zwang Verteidigungsministerin von der Leyen zu einer Guided Tour mit Umwegen: sie wollte auf keinen Fall ein Bild von ihr und dem PP&P-Vogel im Hintergrund. Wie staatstragend waren hingegen die Grünen, die sich vor Airbus-Fliegern ablichten ließen und auf einer Pressekonferenz zum Thema nachhaltiges Fliegen mit "Major Tom" Enders auftraten. Das Thema ist ausbaufähig, besonders beim Thema nachhaltiges Töten. Sicher wird es irgendeine Alge geben, aus der sich wunderbar kompostierbare Dum-Dum-Geschosse fertigen lassen. Und beim Superthema 3D-Drucker gibt es weitere Anknüpfungspunkte: Wie wäre es, das Parteiprogramm auf einen Stoff zu drucken, der die neue Biegsamkeit der Partei illustriert, die mit CETA-ja flattert wie ein Fähnchen im Wind? Ja, so vergeht die Zeit und der grüne Protest von ehemals mit scharfen Debatten über Drohnen wird elegant verklappt, schließlich ist Airbus Airborne Solutions für die Starts und Landungen deutscher Heron-Drohnen in Afghanistan zuständig, als Leasing-Partner der Bundeswehr. Ach, wie schön ist es, dass es an diesem Wochenende einen "Grünen Polizeikongress" gibt, den die tageszeitung als Kuscheln für die innere Sicherheit umschreibt. Wenigstens der Bayernkurier hat noch die alten Reflexe drauf.

*** Apropos waffenfähige Drohnen auf der ILA, da ist ja ein großes Aufseufzen und erleichtertes Aufatmen quer durch die diese unsere Republik gegangen, als bekannt wurde, dass das Töten mit Handy-Daten gar nicht geht. Das hat ein gewisser Henrik Isselburg dem NSA-Ausschuss erzählt, der zwar als Leiter des Referats Operative Auswertung kein Fachmann für Ortungstechnik ist, aber vom Bundesamt für Verfassungsschutz kommt, einem Hort der knallharten Wahrheit. Mit Handy-Daten und besonders mit diesen furchtbar hinterhältigen Metadaten klappe es nicht so genau, jemanden zu orten und dann eine Rakete abzusetzen. Oder vielleicht doch? "Sollte der Bundestag dazu aber ein Gutachten in Auftrag geben, werde das BfV die Ergebnisse gern zur Kenntnis nehmen." Was für ein die Fassung schützender Satz eines operativen Auswerters. So erklärt man zwar kein Problem für beendet, verschiebt aber die Beweislast zu einem Gutachter. Ein Verfahren, das sich schon einmal bewährt hat, wie es das Graulich-Gutachten zeigte.

*** Heute ist bekanntlich der Welterbetag, an dem man tiefsinnig das materielle wie immaterielle Kulturgut betrachten soll, um zu verstehen, wie uns das Welterbe verbindet. Mit den Vollpfosten von der AfD verbindet uns immer noch die Bewunderung für die Dresden, während beim Fußball bekanntlich die Meinungen auseinander gehen. So ändern sich die Zeiten: Vor 10 Jahren gab es den ersten Podcast von Bundeskanzlerin Merkel zur Fußball-WM in einem bunten, feiernden und weltoffenen Deutschland. 425 Podcasts später gibt es Wünsche zur EM für "Die Mannschaft" (tm), die von den besagten Vollpfosten abgelehnt wird.

*** Mein Vorschlag wäre, zum hohen Gedenktag des Welterbes die Snowden-Dokumente als Dokumentation der immateriellen Niedertracht in das Welterbe aufzunehmen. Sie wurden heute vor drei Jahren, am 5. Juni 2013 Glenn Greenwald übergeben, ehe sich Edward Snowden der Weltöffentlichkeit stellte. Die Dokumentation des Treffens von Laura Poitras bekam einen Oscar und taucht gelegentlich in den Mediatheken auf, anders als die Snowden-Dokumente, von denen bislang rund 6500 von 58.000 veröffentlicht wurden. Zuletzt war es die Hauszeitschrift der NSA, die man durchstöbern konnte. Nun hat der ehemalige US-Justizminister und Oberstaatsanwalt Eric Holder höchstselbst Snowdens Tat am vergangenen Wochenende als öffentlichen Dienst gelobt, der der Gesellschaft geholfen habe, "indem er die Debatte und die Veränderungen, die seither gemacht wurden, angestoßen hat". Zur Erinnerung: Holder wollte während seiner Amtszeit Snowden hinter Gittern sehen.

*** Was hat Snowden bewirkt? Glaubt man Greenwald, so haben die Berichte über die NSA bei vielen Netznutzern das Bewusstsein geschärft, dass die Privatsphäre verteidigt und der Selbstdatenschutz verschärft werden muss. Da tut sich also was, auch bei uns. In dieser Woche hat Forschungsministerium 16 Projekte mit Fördermitteln bedacht, die den selbstsbestimmten Datenschutz in der digitalen Welt vorantreiben sollen. Von MoPPa bis SIOC, von AN.ON-Next bis VVV allein fünf beim Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz in Schleswig-Holstein, wo der drittmitelgeförderte Forschungsbereich des ULD ein wichtiger, jedoch umstrittener Posten ist. Es bleibt spannend, was von dieser Stärkung des Selbstschutzes am Ende beim berühmten Endanwender ankommt.

*** Dem Mann, der bei der taz Sebastian Heiser war, ist eine spannende Recherche gewidmet, die einmal aufzeichnet, was ein Keylogger in einer Zeitungsredaktion anrichten kann. Mit der Flucht des investigativ mitloggenden Journalisten in ein südostasiatisches Land ist die Geschichte keineswegs abgeschlossen. Die Frage, was wir aus dem Fall gelernt haben, ist ergänzungsbedürftig, aus mehreren Gründen. Denn die "journalistisch-voyeuristische Grenzüberschreitung" kann eine Suche nach Romeo-Kompromat unter den 23 Mitarbeitern sein, wie sie bei den Diensten immer noch beliebt ist. Oder eine soziale Machtfrage, wie dies das Beispiel des leitenden Tor-Entwicklers Jacob Appelbaum zeigt, der ernster Vergehen gegen das sexuelle Selbstbestimmungsrecht beschuldigt wird. Dann wäre da noch die Frage nach dem 500-Pfund-Gorilla: Was ist, wenn statt einem relativ einfach zu entdeckenden Keylogger der Bundestrojaner oder seine Brüder im Geiste zum Einsatz kommen? Im Zweifelsfall ist das Redaktionsgeheimnis oder der journalistische Informantenschutz eine Idee, mehr nicht. Gegen sie lässt sich immer noch so etwas wie die Gefahr des Beweismittelverlustes ins Feld führen. Alle Festplatten und Datenträger verschlüsseln, dieser Selbstdatenschutz muss viel weiter gedacht werden.

*** "Lebe jeden Tag, als wäre es Dein letzter. Irgendwann wirst Du damit Recht behalten". Der größte Boxer aller bisherigen Zeiten war auch ein großer Philosoph und jeder Nachsatz über ihn wäre ein schlapper Punch.

Was wird.

Wieder einmal wird ein Ereignis am Rande der norddeutschen Tiefebene die Augen auf sich ziehen. Nein, die große Party von heise online ist nicht gemeint, die Teilnehmer-Wettbewerbe laufen ja noch. Am Dienstag wird aus Hannover von der Forschung berichtet, die an dem ruhigsten der Menschheit bekannten Ort durchgeführt wurden. Die Rede ist von der ESA-Mission LISA-Pathfinder, die am Sondenparkplatz durchgeführt wird und beeindruckende Messungen erzielt haben soll, die zeitgleich in den Physical Review Letters veröffentlicht werden.

(Bild: ESA/C.Carreau)

(vbr)