Automatisierungsdividende: Bundestag diskutiert über "Robotersteuer" und Maschinenethik

Experten kommentieren die Möglichkeit des Gesetzgebers kritisch, durch eine Abgabe auf Roboter Arbeitsplatzverluste durch Automatisierung auszugleichen. Künstliche Intelligenz bringe große ethische Herausforderungen mit sich.

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Roboter "Pepper"

Der Assistenzroboter Pepper kann unter anderem Empfehlungen aussprechen und als Verkaufshelfer arbeiten

(Bild: dpa, Andrej Sokolow)

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Abgeordnete wollten bei einem Fachgespräch zur Robotik im Ausschuss "digitale Agenda" des Bundestags am Mittwoch von den versammelten Professoren vor allem wissen, ob Maschinenmenschen verstärkt Arbeitsplätze übernähmen und die Politik einen Ausgleich dafür schaffen könnte. Zumindest in den nächsten fünf bis zehn Jahren würden Roboter nicht "Hunderttausende" Jobs eliminieren, versuchte Norbert Elkmann vom Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung die Parlamentarier zu beruhigen. Es könnte aber sein, dass etwa Büroarbeiten vermehrt durch intelligente IT-Systeme und Digitalisierung allgemein ersetzt würden.

Auch in fünf Jahren dürften ausgefeilte Roboter kaum unter dem Preis eines Luxuswagens zu haben sein, erläuterte Elkmann. Ihr wesentliches Einsatzgebiet bleibe daher zunächst auf die Industrie beschränkt, da sich ihr Betrieb amortisieren müsse. Es werde ferner noch lange dauern, bis Geräte mit auch nur annähernd menschenähnlichen Fähigkeiten entwickelt oder erschwinglich würden. In Japan gebe es zwar schon Prototypen, "die Menschen waschen". Als Produkt mit gängigen Prüfkennzeichen könne man diese aber noch nicht erwerben. Insofern zeichne sich etwa im Pflegebereich noch kein großer Exitus menschlicher Dienste an.

Industrieroboter von Kuka

(Bild: Kuka)

Sollte der Gesetzgeber es trotzdem für nötig erachten, der Entwicklung durch gängige Instrumente wie Abgaben oder neue Mittel wie ein "bedingungsloses Grundeinkommen" entgegenzuwirken, müssten dem Roboterforscher zufolge zumindest "sämtliche IT-Systeme" darunter fallen. Die Rede könne allenfalls von einer "Maschinen- oder Digitalisierungssteuer" sein, nicht jedoch von einem speziellen Finanzaufschlag für Roboter.

"Es werden sehr, sehr viele Arbeitsplätze wegfallen", meinte dagegen Eric Hilgendorf, Leiter der Forschungsstelle "Robot-Recht" an der Universität Würzburg. Trotzdem könne der Reichtum steigen, der dann aber unters Volk gebracht werden müsse. In diesem Sinne hielt der Jurist die Debatte über Grundeinkommen für "nachvollziehbar". Eine "Robotersteuer solle der Bundestag aber nicht vorschnell beschließen, um die Innovation nicht auszubremsen.

Für "radikale Ansätze", um Automatisierungsgewinne gerecht zu verteilen, plädierte Oliver Bendel von der FH Nordwestschweiz. Er sprach sich für eine Art bedingungslose Grundausrüstung aus im Sinne von: "Jeder bekommt ein Stück Land oder Haus."

"Automation ist nicht beschäftigungsneutral", warnte Raul Rojas vom Lehrstuhl für Information an der FU Berlin. Deutschland verfüge noch über Industriearbeitsplätze in der Höhe um die 20 Prozent, die rasch auf rund zehn Prozent absinken werde wie in den USA. Ausgleichende Steuern könne ein Land im globalen Wettbewerb aber kaum mehr alleine durchsetzen. Zielführender sei es daher, die Betroffenen besser fortzubilden.

Größeren Handlungsbedarf sahen die Sachverständigen bei autonomen, vernetzten Systemen. Mit dem Verschuldungs- und Gefährdungskonzept in der Zivilhaftung sei Deutschland auch in diesem Sektor zwar bereits recht gut aufgestellt, meinte Hilgendorf: "Das System der Pflichtversicherung scheint ein Modell zu sein für gefährliche Roboter." Die Herstellerhaftung dürfte aber parallel wichtiger werden. Der Rechtsexperte riet den Parlamentariern, Haftungsprivilegien für Provider zu überdenken. Sonst "drohen Schäden an Körper und Leben ", wenn etwa ein Hacker ein "ganzes Netz von PKWs" angreife.

Im Sinne von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) plädierte Hilgendorf für einen "Algorithmen-TÜV". Maschinen träfen teils schon mehr oder weniger autonom wichtige Entscheidungen. Man könnte dabei verwendete Verfahren überprüfen lassen, "die schwierige ethische Fragen aufwerfen".

Letzteres dürfte immer häufiger der Fall sein, orakelte Bendel: "Es wird immer mehr Roboter geben, die Generalisten sind. Wir teilen uns unseren Lebensraum in Zukunft mit ihnen im Haushalt, draußen, in der Landwirtschaft und in den Fabrikhallen." Daher sei es wichtig, Disziplinen wie Psychologie und Philosophie einzubinden und eine Maschinenethik zu entwickeln. Der Wirtschaftsinformatiker empfahl, Roboter nur "in Tandems" mit Menschen arbeiten zu lassen, damit letztere "Meister bleiben" über die Künstliche Intelligenz. Wichtig sei es, "immer nur selbstlernende Systeme zu bauen, deren Entscheidungen wir voraussagen können".

"Große blinde Flecken bei der Regulierung" autonomer System machte Rojas aus. Seine Utopie sei es, "die Anzahl der Fahrzeuge um 90 Prozent zu verringern", um die Straßen frei für Fußgänger und Fahrräder zu machen. Es gebe dann quasi nur noch "Taxis on Demand". Die Benzinautos von heute sind für ihn "die Kohlekraftwerke von morgen". Unklar sei aber etwa, wer unter welchen Umständen "umfassende Updates" in Robo-Autos einspielen dürfe. Angesichts der vielen offenen Fragen legte Ryan Calo von der Universität Washington den Volksvertretern ans Herz, eine "Roboterkommission" einzusetzen, um zunächst Fachwissen zu bündeln. (kbe)