Neue Berliner Denkfabrik will die Digitalisierung praktikabel machen

Die Stiftung Neue Verantwortung hat sich als "Think Tank" neu aufgestellt und will mit einem jährlichen Startbudget von 1,2 Millionen Euro umsetzbare Ideen in den Bereichen Netz- und Digitalpolitik entwickeln.

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Der Denker, Rodin

Probleme der Digitalisierung beschäftigten den "Denker" von Auguste Rodin wohl weniger.

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Die Berliner Landschaft der Denkfabriken rund um den Bereich Internet und Digitalisierung ist um einen Akteur reicher. Die Stiftung Neue Verantwortung (SNV), die jüngst etwa gemeinsam mit der Bertelsmann-Stiftung mit einer Studie zur Arbeitsmarktentwicklung im Zeichen von Vernetzung und Robotik auf sich aufmerksam machte, hat sich zu einem "Think Tank" für gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Fragen des technologischen Wandels umstrukturiert.

Zunächst 14 Experten sollen fortan Analysen zu Fragen insbesondere digitaler Infrastrukturen, des Wandels der Arbeit, der IT-Sicherheit oder der Internetüberwachung durchführen, darauf basierend praktikable Umsetzungsvorschläge für die Politik entwickeln und die öffentliche Debatte mit Konferenzen anreichern. Weitere befristete Stellen sollen dazu noch besetzt werden.

1,2 Millionen Euro jährlich stehen derzeit insgesamt für die Arbeit der Denkfabrik zur Verfügung, die sich als "inhaltlich unabhängig" versteht und daher auf eine Mischfinanzierung aus verschiedenen Quellen setzt. Ein großer Batzen des Gesamtbudgets in Höhe von 66 Prozent stammt nach Eigenangaben aus Fördermitteln anderer Stiftungen wie Robert Bosch, Mercator oder der Open Society Foundation. 23 Prozent werden durch Spenden von Firmen wie KPMG oder Twitter gedeckt, wobei kein einzelnes Unternehmen mehr als fünf Prozent für den ganzen Haushalt beisteuern darf. Elf Prozent kommen von öffentlichen Organisationen wie dem Auswärtigen Amt oder der Universität Siegen.

"Geht es um die Digitalisierung, haben wir oft große Ziele", begründet SNV-Geschäftsführerin Anna Wohlfahrt die Neuausrichtung. "Beim Thema Datenschutz möchte Deutschland seine Vorstellungen von Privatsphäre im Internet verwirklichen", meint die von der Bertelsmann-Stiftung kommende Management-Fachfrau. "Im Bereich der Wirtschaft möchten wir wettbewerbsfähig bleiben und gegenüber dem Silicon Valley aufholen. Und unsere Verwaltungen sollen neue Technologien nutzen, um effektiver zu werden und enger mit Bürgern zusammenzuarbeiten."

Oft fehlten der Politik aber umsetzbare Vorschläge und Ideen, "die nicht nur einer Interessensgruppe nützen", meint Wohlfahrt. Genau hier wolle die SNV eine Lücke füllen. Wie ein klassisches Forschungsinstitut soll dabei nicht vorgegangen werden. Die Empfehlungen basierten zwar auf wissenschaftlicher Expertise, erläutert Stefan Heumann aus der Geschäftsführung den Ansatz. Zugleich wolle man aber "frühzeitig und systematisch" mit Experten aus Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und anderen Forschungsinstituten kooperieren und so "unterschiedliche Perspektiven beteiligen".

Ähnlich stellte sich 2010 die von Google ins Leben gerufene Denkfabrik "Internet & Gesellschaft Collaboratory" auf, die Debatten etwa zur Urheberrechtsreform, zur Zukunft der Privatsphäre oder zum Menschenrechtsschutz anstieß. Da sich kaum andere Geldgeber jenseits des US-Internetkonzerns fanden, kam die Einrichtung aber in Lobbyverruf und lässt seit dem Ausstieg ihres Initiators Max Senges weniger von sich hören.

Mit großem Bahnhof startete Google wenig später ein eigenes Internet-Forschungsinstitut. Im Februar öffnete das Digital Society Institute (DSI) an der European School of Management and Technology (ESMT) seine Türen, das sich ebenfalls als Strategielieferant einen Namen machen will. Im "Markt" der Denkfabriken mischt zudem etwa das iRights.lab seit 2012 mit. (jk)