Aktivposten 2.0?

Im Test: Ford S-Max 2.0 TDCi mit 180 PS

Der erste Ford S-Max war ein Van, der sich nicht wie einer fuhr. Die zweite Generation, seit September 2015 im Handel, macht einiges anders, wie unsere Ausfahrt gezeigt hat. Ist sie noch immer der Van für alle, die eigentlich keinen wollen?

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Martin Franz
Inhaltsverzeichnis

München, 30. August 2016 – Kinder verändern den Blickwinkel auf so manche Dinge. Vans gelten in der Wahrnehmung mancher Autofans als ideale Autos für Menschen, die den Transport von Dingen über das Fahren an sich stellen. Ford unternahm 2006 den Versuch, den S-Max als sportlichen Van zu vermarkten. Tatsächlich fuhr sich die erste Auflage handlicher als die meisten Konkurrenten. Nummer zwei hat in vielen Dingen zugelegt. Eine Ausfahrt mit dem 180-PS-Diesel sollte klären, ob der S-Max noch immer als Auto für jene taugt, denen ein reiner Familienschlepper dann doch zu fad erscheint.

Viel Platz

Ob ein S-Max nun tatsächlich optisch flotter ist als seine Gegner, überlassen wir Ihrem Blickwinkel. Fakt ist, dass er beim Platzangebot jeden vergleichbar großen Kombi schlägt – und zwar deutlich. Die Sitze sind auch in der zweiten Reihe einzeln zu verschieben. Wenn sie ganz nach hinten geschoben werden, können auch zwei große Menschen bequem hintereinander sitzen. Dann ist allerdings in der dritten Reihe so gut wie kein Fußraum mehr übrig. Doch mehr als ein paar Notsitze sollte dort ohnehin keiner erwarten, zumal diese Sessel recht dünn gepolstert sind. Der Hersteller selbst greift zu subtileren Mitteln, um diese Plätze als dritte Wahl zu kennzeichnen. Eine Lüftung gibt es nur auf der rechten Seite. Bleiben die hinteren Sitze in der Versenkung, schluckt der Kofferraum locker das Urlaubsgepäck einer Familie, die zusätzlich noch einen Kinderwagen transportieren muss. Noch verlockender scheint die Überlegung, sie bei der Bestellung gleich ganz wegzulassen. Das spart je nach Ausstattung zwischen 950 und 1100 Euro und bringt noch mehr Platz im Kofferraum.

Nicht mehr ganz so agil

Was den S-Max bisher aus der Masse des Angebots heraushob, war allerdings nicht sein Platzangebot. Der Vorgänger war stets etwas knackiger zu fahren: Eine präzise Lenkung und ein gekonnt abgestimmtes Fahrwerk ließen mitunter vergessen, dass hier ein Van bewegt wurde. Der Neue lässt das nur noch im Ansatz spüren. Die Lenkung ist nicht mehr ganz so zielgenau, die etwas weichere Feder-Dämpfer-Abstimmung passt gut zu einem Familientransporter, hat mit der fahraktiven Auslegung von Nummer 1 aber nur noch wenig zu tun.

Schwere Kombination

Nicht ganz unschuldig an diesem Eindruck ist sicher die Konfiguration des Testwagens. Die Kombination aus weitgehender Vollausstattung, dem 180-PS-Diesel, Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe und Allradantrieb macht den Van allein mit einem 75-kg-Fahrer besetzt 1857 Kilogramm schwer. Mehr bringt aktuell kein anderer S-Max auf die Waage. Ob der Allradantrieb nun wirklich nötig ist, hängt sicher von den individuellen Einsatzbedingungen ab. Die Version mit Frontantrieb ist laut Werk jedenfalls erheblich flotter, zumindest im Standardsprint. Dort ist sie mit 9,5 Sekunden angegeben, das Allradmodell dagegen mit 10,5.

Abgesehen von den Werksversprechen erscheint die Maschine nicht die goldene Mitte. Wer es nicht eilig hat, dürfte mit dem 150-PS-Modell auch gut zurechtkommen, allen anderen sei die BiTurbo-Diesel-Version mit 210 PS ans Herz gelegt, die 1500 Euro mehr kostet, allerdings nur ohne Allrad und in der höchsten Ausstattungslinie zu haben ist.

Der 180-PS-Motor ist stets leise, wirkt aber zäh. In der Sport-Stellung des Getriebes wird später geschaltet, ein deutlicher Gewinn an Dynamik lässt sich nicht feststellen. Während eines EM-Deutschlandspiels ergab sich die Chance, fünf Minuten am Stück auf dem Gas zu bleiben – mehr als 210 km/ zeigte der Tacho dabei nicht an. Der Weg dorthin ist ein sehr langer, spätestens ab 150 km/h geht es zäher voran, als 180 PS suggerieren. Auch weit darunter wirkt der S-Max mit dieser Maschine nicht gerade agil. Genau diese Agilität zeichnete den Vorgänger aus, der Neue wirkt gesetzter.

Ohne SCR-Kat

Im NEFZ verspricht Ford kombiniert 5,8 Liter, wir haben es auf der Landstraße mit viel Ausrollen auf 6,3 Liter gebracht. Im Schnitt kamen wir auf 8,2 Liter, in der Spitze waren es 10,2. Die Abgasreinigung kommt, wie der ähnlich große Renault Espace, ohne AdBlue aus, was zumindest erstaunlich erscheint. VW liefert nach oder vielmehr mitten im Abgas-Skandal keinen Sharan mehr ohne SCR-Kat aus. Der gilt trotz der Zusatzkosten für AdBlue bislang noch immer als die effektivste Möglichkeit, dem Abgas konventioneller Dieselmotoren möglichst viele Stickoxide abzunehmen.

Weiche Sitze

In vielen anderen Punkten ähnelt der S-Max dem Mondeo, was nicht weiter verwundert, haben doch beide die gleiche Basis. Lenkrad und Sitze sind etwas weicher als heute üblich – mir hat das gefallen, zumal die Sitze seitlich guten Halt bieten. Die Lordosenstützen bieten einen großen Einstellbereich, lassen sich aber nicht in der Höhe verstellen. Die Kopfstützen vorn reichen weit nach oben und lassen sich in zehn Stufen in der Neigung variieren. Hinten geht Ford ganz eigene Wege, um die Mitfahrer zu einer korrekten Einstellung der Kopfstützen zu bewegen. Die drücken nämlich in der untersten Position Erwachsenen derart im Rücken, dass sie jedermann freiwillig nach oben zieht.

Einer der größten Schwächen im S-Max ist aus unserer Sicht die aktuelle Infotainmentabteilung. Ford hat die Bedienung von fast allen Funktionen auf einen Touchscreen gelegt, der konstruktionsbedingt bei Gegenlicht schlecht abzulesen ist und zudem zeitweise nur zögerlich auf Eingaben reagiert. Verschärft wird das ganze dadurch, dass die Funktionstasten zum Teil sehr klein sind und im Kombiinstrument sehr viele Informationen gleichzeitig dargestellt werden. Es ist einfach ein bisschen sehr viel an Information, was Ford da gleichzeitig serviert. Mit der im Herbst 2016 anstehenden Modernisierung dieses Bereiches folgt hoffentlich auch eine Entschlackung.

Das System gleicht dabei dem, was wir auch im Mondeo vorgefunden haben. Positiv waren im S-Max der insgesamt passable Klang der Musikanlage. Die Bedienung ist etwas verschachtelt, aber bei längerer Nutzung gewöhnt man sich vielleicht daran. Doch insgesamt waren auch unsere Kollegen von TechStage von der Anlage im Ford Mondeo damals nicht sehr angetan. Die Konkurrenz bietet hier zum Teil deutlich mehr.

Kleine Nachlässigkeiten

Dagegen wirken kleine Nachlässigkeiten in der Verarbeitung vergleichsweise harmlos. Im Testwagen knisterte leise etwas im Bereich der B-Säule, wahrnehmbar, aber kaum störend. Sehr praktisch ist ein kleiner Zusatzspiegel, mit dem man von den Vordersitzen aus die zweite Reihe im Blick hat. Wird das Brillenfach am Dachhimmel geöffnet und wieder geschlossen, bleibt der kleine Spiegel allerdings daran hängen. Solche Beispiele gibt es zuhauf, wobei der S-Max insgesamt nicht schlecht verarbeitet ist.

Etwas mehr Liebe zum Detail könnte er allerdings zeigen, denn zu Schnäppchen gehört er wahrlich nicht. Der sehr gut ausgestattete Testwagen dürfte auf deutlich mehr als 45.000 Euro Listenpreis kommen. Soviel Geld muss es freilich nicht sein. Für rund 10.000 Euro weniger gibt es einen sinnvoll ausgestatteten S-Max mit 150-PS-Diesel und Automatik, der sich kaum schlecht fahren wird. Dann stehen Preis und Leistung in einem guten Verhältnis. Da Fahrspaß im Blickwinkel der Kinder kaum Platz hat, bleibt die Erkenntnis, dass Ford bei der Entwicklung des zweiten S-Max wohl Eltern und erst in zweiter Linie Fahrer im Blick hatte. Schade eigentlich, denn so ist er ein guter Van, letztlich aber auch einer unter vielen.

Die Kosten für die Überführung hat Ford übernommen, jene für Kraftstoff der Autor. (mfz)