Abgas-Affäre: Klageschrift belastet Autozulieferer Bosch

Der Autozulieferer Bosch soll massiv in die Abgas-Affäre von Volkswagen verwickelt sein, erklärt das Recherchenetzwerk von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung. Ohne das Stuttgarter Unternehmen habe Volkswagen die Software nicht anpassen können.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 249 Kommentare lesen
Auspuff, VW, Volkswagen, Abgas-Skandal

(Bild: dpa, Inga Kjer/Archiv)

Lesezeit: 3 Min.
Inhaltsverzeichnis

Der Autozulieferer Bosch soll nach Informationen des Recherchenetzwerks von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung "massiv" in die Abgas-Affäre von Volkswagen verwickelt sein. Wie die Süddeutsche Zeitung darlegt, habe Bosch "die Entwicklung und wohl auch Nutzung seiner Software durch VW akribisch verfolgt". Ohne Bosch habe VW die Software angeblich auch nicht ändern können. Das gehe aus einer in den USA vorliegenden Klageschrift von 171 VW-Konzern-Kunden gegen Bosch hervor. Bislang seien wesentliche Stellen, die Bosch betreffen, geschwärzt gewesen, diese Schwärzungen seien nun aber aufgehoben worden.

Bestandteil der 740 Seiten starken Klageschrift ist nach Informationen des Recherchenetzwerks ein Brief vom Juni 2008. Darin fordere Bosch vom VW-Konzern, ihn von einer Haftung freizustellen, denn die "geforderte Weiterentwicklung" der Motorsteuerung werde dazu führen, "dass Daten möglicherweise als defeat device eingesetzt werden".

Bosch habe in dem Schreiben ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Verwendung einer solchen Funktion in den USA verboten sei und habe gewarnt, dass die damit ausgestatteten Fahrzeuge durch die Software ihre Betriebserlaubnis verlieren könnten. VW habe den Haftungsausschluss verweigert. Die Kläger unterstreichen, dass der Zulieferer ein "wissender und aktiver Teilnehmer" der Manipulationen gewesen sei.

Schon seit dem Jahr 2001 habe Bosch der Klageschrift zufolge das Motorsteuergerät EDC17 entwickelt, welches später eine illegale Softwarefunktion unter dem Namen "Akustikfunktion" enthielt. Die Kläger führten eine Reihe von Verträgen und weitere Dokumente an, die aus den offiziellen Ermittlungen gegen VW stammen sollen, berichtet der Norddeutsche Rundfunk. Sie sollen eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Autohersteller und dem Zulieferer seit 2004 belegen. Demnach habe VW die Software nicht alleine für seine Zwecke umschreiben können.

In der Klageschrift heiße es, dass Bosch die Kontrolle über die Software inklusive der Betrugsfunktionen immer "fest im Griff" hatte – zu dem Schluss seien Softwareexperten gekommen. Es sei sogar eine Art "Schloss" programmiert worden, um Änderungen durch VW zu unterbinden, heißt es bei der Süddeutschen Zeitung. Auf Wunsch des Zulieferers sei zudem in einer Vereinbarung vom 20. Februar 2006 festgehalten worden, dass nur 35 ausgewählte Mitarbeiter von VW und einer Vertragsfirma Einblick in "erweiterte Softwarefunktionen" erhielten.

Chronologie des Abgas-Skandals (78 Bilder)

Mitte September 2015:  Die US-Umweltschutzbehörde EPA beschuldigt den Volkswagen-Konzern, Diesel-PKWs der Baujahre 2009 bis 2015 mit einer Software ausgestattet zu haben, die die Prüfungen auf US-amerikanische Umweltbestimmungen austrickst. Zu ähnlichen Untersuchungsergebnissen ist auch das California Air Resources Board (CARB) gekommen. Beide Behörden schicken Beschwerden an VW. (Im Bild: Zentrale der EPA in Washington D.C.)
(Bild: EPA
)

Die Kläger legten laut dem Rechercheverbund dar, dass Änderungen in der Software nur mit Zustimmung von Bosch erfolgen konnten und durften. Bosch solle zudem dabei mitgewirkt haben, die Betrugsfunktionen vor den US-Behörden zu verbergen. In einer Mail vom 9. März 2007 habe ein Bosch-Mitarbeiter zwei VW-Kollegen gegenüber bestätigt, dass die Beschreibung der "Akustikfunktion" aus einer Softwaredokumentation besser entfernt werde. VW habe zugestimmt, sie aus der US-Version zu nehmen. Die Unternehmen sollen darüber uneins gewesen sein, ob man in Europa ebenso vorgehe.

Bosch erklärte gegenüber dem Norddeutschen Rundfunk, es äußere sich grundsätzlich nicht zu laufenden Untersuchungen. Das Unternehmen arbeite an einer Klageerwiderung. Die Vorwürfe der Manipulation nehme Bosch "sehr ernst".

In der Klageschrift sollen auch schwere Vorwürfe gegen Audi-Manager erhoben worden sein. Einer der Manager soll die Weiterentwicklung der Betrugs-Software angeregt haben. Ein weiterer Audi-Manager habe in einer Mail darum gebeten, das Thema aufgrund der Vertraulichkeit nur telefonisch oder persönlich zu besprechen. (kbe)