Abgasmisere: Bosch schweigt vor EU-Parlament

Die Abgas-Manipulationen in der Autobranche werden meist nur als VW-Diesel-Skandal benannt. Der Name Bosch wird häufig nicht oder nur nachrangig erwähnt – obwohl das Unternehmen Software an Volkswagen lieferte. Bosch-Vertreter mussten sich nun Fragen von EU-Abgeordneten stellen

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Von
  • Florian Pillau

Die Parlamentarier fühlten ihre Geduld auf eine harte Probe gestellt. „Es ist nicht leicht, Ihnen Fragen zu stellen“, sagte der Grünen-Europaabgeordnete Bas Eickhout zu den beiden Bosch-Vertretern auf dem Podium des Abgas-Untersuchungsausschusses der EU-Volksvertretung in Straßburg. „Ruckzuck ziehen Sie sich zurück und sagen, Sie könnten nicht antworten.“ Später machte CDU-Parlamentskollege Jens Gieseke seinem Ärger Luft: „Wir kriegen hier eigentlich keine Antworten - das ist ein bisschen vertane Zeit.“ Der Liberale Gerben-Jan Gerbrandy meinte: „Das ist enttäuschend.“

Steuergeräte von Bosch für verschiedenste automobile Anwendungen

(Bild: Bosch)

Zwei Stunden lang hörten sich Boschs Diesel-Chefentwickler Markus Krüger und Cheflobbyist Peter Biesenbach am Donnerstag die Fragen der Abgeordneten an. Eigentlich sollten sie vor allem technisches Wissen vermitteln, damit die Politiker das Thema besser verstehen. Zudem sollte Bosch dabei helfen, die Rolle der EU-Kommission bei der Abgas-Gesetzgebung vergangener Jahre einschätzen zu können – schließlich steht Bosch wie auch andere große Wirtschaftsunternehmen im direkten Kontakt zur EU-Exekutive. War die Kommission nachlässig?

Doch die EU-Behörde und technisches Wissen spielten kaum eine Rolle bei der Sitzung am Donnerstag – die Aktualität kam einer aufschlussreichen Diskussion in die Quere. Denn immer wieder wurden die Konzernvertreter mit dem Vorwurf konfrontiert, Bosch sei keineswegs nur ein unwissender Software-Lieferant für Volkswagen gewesen, sondern habe kräftig mitmanipuliert. So steht es jedenfalls in einer US-Klageschrift von geschädigten Diesel-Kunden, die kürzlich bekannt geworden war und natürlich längst den EU-Abgeordneten vorlag. Auf diese Schrift bezogen sich die Politiker ein ums andere Mal.

Die Vorwürfe in dem US-Dokument sind heftig. Zum Beispiel habe Bosch 2008 von Volkswagen eine sogenannte Haftungsfreistellung gefordert für eine etwaige Nutzung von Bosch-Software im Abgasbetrug. Volkswagen hat dieses Dokument der Klageschrift zufolge nie unterschrieben – und dennoch lieferte Bosch sieben Jahre lang weiter.

Der SPD-Europaabgeordnete Ismail Ertug las zwei Namen angeblicher Bosch-Mitarbeiter vor, die diese Haftungsfreistellung nach seiner Darstellung im Namen von Bosch unterschrieben haben. Ja, diese Namen seien ihnen unbekannt, entgegneten die zwei Bosch-Vertreter unisono.

Ertug wertete das mit einem Kopfschütteln. Die beiden Bosch-Männer seien „nicht hoch in der Hierarchie“, sagte Ertug. „Es war absehbar, dass die Herrschaften nichts wissen oder nichts wissen dürfen.“

Eigentlich hätte die Anhörung schon Ende Juni stattfinden sollen. Doch da am Vorabend das Brexit-Votum stattfand und dessen Ergebnis auf dem EU-Parkett wie eine Bombe einschlug – inklusive eilig einberufener Sondersitzungen –, wurde die Bosch-Anhörung vertagt.

Schriftlich hatten die Bosch-Manager damals bereits erste Antworten gegeben, in denen sie der üblichen Verteidigungsstrategie des Zulieferers im Abgas-Skandal nachgingen: Man könne wegen laufender interner Ermittlungen nichts sagen zum Volkswagen-Fall. „Grundsätzlich“ habe aber der Autohersteller die Verantwortung und nicht der Zulieferer.

Bosch lieferte die Software nach den Anforderungen der Automobilhersteller. „Wie ist rechtlich der Punkt der Übergabe?“, fragte CDU-Mann Gieseke. Ab wann genau also ist Bosch von der Haftung frei? „Ich würde Ihnen gern antworten, aber ich muss passen, weil: Ich bin kein Jurist“, meinte Bosch-Vertreter Biesenbach. „Sie reichen das schriftlich nach, ja?“, hakte die Ausschuss-Vorsitzende Kathleen Van Brempt von den Sozialdemokraten nach. Biesenbach nickte.

So redeten Abgeordnete und Bosch-Vertreter zwei Stunden lang oft aneinander vorbei. Die Politiker stellten Fragen, die – mal mehr, mal minder gut getarnt – auf den konkreten Volkswagen-Fall abzielten. Und die Bosch-Manager sprachen von Grundsätzlichem und Allgemeinem – weil sich Bosch-Mitarbeiter zum Volkswagen-Fall derzeit nun mal nicht öffentlich und konkret äußern dürfen.

Steckte man unter einer Decke mit Volkswagen? „Ich verstehe Ihre Frage und Ihr Interesse – und dass Sie da noch mal insistieren“, sagte etwa Lobbyist Biesenbach. „Aber das ist Gegenstand der Untersuchungen, da können wir derzeit keinen Kommentar abgeben.“

Eher ratlos gingen die meisten Europa-Parlamentarier nach der Sitzung denn auch aus dem Raum. Für den Grünen Eickhout blieben viele Fragen offen: „Es ist schwer zu glauben, dass Bosch von dem Missbrauch der Software nichts gewusst haben kann.“

(dpa) (fpi)