Skandaljubiläum

Ein Jahr Abgas-Skandal bei Volkswagen

Nach einem Jahr Abgas-Skandal in Europa haben wir viel gemessen, viel gemeint, aber wenig erfahren. Der Haupteffekt des Skandals dürfte also der gesellschaftliche sein: Diesel ist verpönt geworden, die Zulassungszahlen sind rückläufig

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Dieselmotor, VW 4 Bilder
Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Wolfsburg, 19. September 2016 – Zum einjährigen Jubiläum des Abgas-Skandals in Europa fassen wir den aktuellen Stand der Dinge zusammen.

Also: Wer war's jetzt?

Die Schuldfrage im Abgas-Skandal bei Volkswagen bleibt ungeklärt. VWs Management sprach stets von wenigen Schuldigen, nahm stets das Management in Schutz, das nicht involviert gewesen sei. Diese Suche kann noch sehr lange dauern oder für immer erfolglos bleiben. Eine interessante Recherche betrifft den Ermittlungsast "Bosch". In E-Mail-Gesprächen fanden Ermittler weitere Hinweise darauf, wie die Firma Bosch, die das Motorsteuergerät zulieferte, nicht nur vor dem Einsatz so einer Software in den USA warnte, sondern auch, wie Bosch dabei geholfen haben soll, das Vergehen unter den Teppich zu kehren.

Schon in der Warnung schrieb Bosch, dass die von Volkswagen geforderte Software-Funktion in den USA als illegales "Defeat Device" gelten würde, als Abschaltvorrichtung. Abschaltvorrichtungen müssen zur Zulassung sowohl in den USA als auch in der EU angegeben und beschrieben werden, damit die Behörden entscheiden können, ob sie legal dem Motorschutz dienen (Google-Stichwort: "Temperaturfenster") oder die Abgasreinigung ohne triftige Gründe aushebeln. Volkswagen sah sich offenbar außerstande, eine solche stichhaltige Argumentation zu liefern und unterließ es, die intern "Akustikfunktion" genannte Abschalteinrichtung anzumelden. Eine Bosch-Email empfahl sogar, den Kreis der Mitwissenden möglichst klein zu halten und die Akustikfunktion aus der Dokumentation zu entfernen. Damit ist zumindest klar, dass Volkswagen nicht versehentlich über das Zulassungsrecht stolperte, wie Matthias Müller es in seinem berüchtigten Radio-Interview darstellte, sondern in voller Betrugsabsicht handelte.

Was hat VW zur Besserung getan?

In Europa hat Volkswagen schrittweise verschiedene Motoren der beanstandeten Generation zurückgerufen. Auf alle Motorboxen wird eine neue Software aufgespielt, eine ohne "Akustikfunktion". In die VAG-Modelle mit dem 1,6-l-Diesel wird zusätzlich ein Plastik-Zwischenstück eingebaut, das den Luftstrom vor dem Luftmassenmesser beruhigt. Die aus dem beruhigten Luftstrom resultierende erhöhte Steuerungsgenauigkeit hilft laut VW, ihre Rohemissionen zu senken. Dieser Rückruf soll nun im Oktober endlich anlaufen, wenn die Freigabe des KBA vorliegt.

In den USA geht es derweil viel krasser zu. Dort muss Volkswagen die beanstandeten Autos zurückkaufen, wenn die Kunden das wünschen, und ihnen obendrein einen Schadensersatz zahlen. Zusätzlich muss VW 2,7 Milliarden Dollar in einen Umweltfonds einzahlen, aus dem verschiedene Umweltprojekte gefördert werden sollen. Die finanziell klamme Universität West Virginia, die damals im Auftrag des ICCT die auslösenden Abgastests durchführte, möchte laut ihren Sprechern versuchen, etwas aus diesem Fördertopf zu erhalten.