Wie Pokémon Go sogar Google platt gemacht hat

Es ist Sommer. Niantic veröffentlicht ein einfaches Smartphone-Spielchen mit einer Lizenz, die schon bessere Zeiten gesehen hat. Plötzlich will es jeder haben – und die Entwickler haben ein gewaltiges Problem: Mit so viel Traffic hatte keiner gerechnet.

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Wie Pokémon Go sogar Google platt gemacht hat
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Gerald Himmelein

Beim Launch des Smartphone-Spiels Pokémon Go hatte niemand gedacht, dass es derart einschlagen würde. Aufgrund des Spielprinzips läuft ohne Server-Verbindung gar nichts – Spiel und Server stehen in dauerndem Kontakt, um die Positionen der zu fangenden Pokémon und zu leerenden Pokéstops miteinander abzugleichen, von den Arena-Kämpfen ganz zu schweigen.

Als das Spiel jedoch einschlug wie eine Bombe, gingen die Server schnell in die Knie. Verlor das Smartphone zwischendurch den Kontakt zum Server, brach das ganze Spiel zusammen. Fast jede Kampfpartie endete mit einem Fehler. Stundenlange Ausfälle waren keine Ausnahme, sondern die Regel. Websites sprossen aus dem Boden, die nichts anderes taten als zu melden, ob Pokémon Go momentan erreichbar war oder nicht. Und trotzdem kamen jeden Tag neue Spieler hinzu.

So kanns gehn: Die Nutzerzahlen von Pokémon Go überstiegen Prognosen um das 50-fache.

Vor dem Launch hatten die Entwickler zwar eine Traffic-Prognose aufgestellt, die nicht nur das erwartete Datenvolumen, sondern auch einen "Worst Case" umfasste. Es lag fünf Mal so hoch wie der Target Traffic. Dumm nur, dass der Traffic schnell das Fünfzigfache des erwarteten Volumens erreichte – und das, obwohl das Spiel in den ersten Tagen nur in Australien und Neuseeland verfügbar war.

Bald fragte Amazon-CTO Werner Vogels mit verhaltener Häme auf Twitter, ob Niantic vielleicht Hilfe brauche, um des Ansturms Herr zu werden. Amazon bietet Web Services zur Lastverteilung an. Die Spitze kam nicht von ungefähr: Niantic hatte auf die konkurrierende Google Cloud gesetzt.

Ein Eintrag im Google Cloud Platform Blog wirft Licht darauf, was im Juli schief lief – und dass es unter den gegebenen Umständen noch viel übler hätte ausgehen können. Luke Stone zufolge war Niantic der erste Kunde seines Dienstes "Google Customer Reliability Engineering" (CRE). Offenbar diente Pokémon Go als First Adopter auch als Betatest der Technik. Während Lawinen neuer Spieler die App installierten, kämpften die Techniker ständig darum, dass die Server erreichbar blieben – was mal mehr, mal weniger gut ging.

Typischer Julitag für Pokémon Go: Vierstündige Ausfälle waren keine Seltenheit.

(Bild: Cmmcd.com )

Als klar wurde, dass die eingesetzte Google Container Engine dem bevorstehenden Ansturm beim offiziellen Japan-Start nicht standhalten würde, beschlossen die Verantwortlichen, die Engine im laufenden Betrieb durch eine neue Version zu ersetzen. Der Blog-Eintrag vergleicht das mit dem Austausch einer Turbine mitten im Flug. Parallel wurde der Load-Balancer durch ein leistungsstärkeres System ausgetauscht. Dem Blog-Eintrag zufolge verlief der Japan-Launch "without incident", also ohne Probleme – eifrige Spieler haben das anders in Erinnerung: Die Anmelde-Server waren stundenlang völlig überlastet.

Seit Juli hat sich die Lage allerdings normalisiert – Server-Ausfälle sind kaum mehr zu verzeichnen. Dazu hat nicht zuletzt beigetragen, dass die Zahl der Spieler seit dem Sommer-Hype deutlich zurückgegangen ist. Einer Marktanalyse im September zufolge hat Pokémon Go seit Mitte Juli fast 80 Prozent seiner zahlenden Spieler verloren. Damit bleibt es aber immer noch das profitabelste Smartphone-Spiel aller Zeiten.


Kleine Anmerkung in eigener Sache: Pokémon Go: Tipps und Tricks, die ich gern vorher gewusst hätte Pokémon Go Plus

(ghi)