IAEA-Chef Amano zu deutschem Atomausstieg: "Keine leichte Aufgabe"

Der Weg Deutschlands aus der Atomkraft ist durchaus mit Hürden verbunden, findet der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde Amano. Die Sorgen der Bürger bei der Endlagerung von Atommüll seien nachvollziehbar. Amanos Organisation bietet Hilfe an.

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Das AKW Brunsbüttel

(Bild: Vattenfall)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Sandra Walder
  • Albert Otti
  • dpa
Inhaltsverzeichnis

Deutschland hat nach der Atomkatastrophe von Fukushima seine Energiewende ausgerufen. Die letzten Kernkraftwerke sollen 2022 vom Netz gehen. Um sich auf den neuesten Stand bei dem Atomausstieg des Bundesrepublik zu bringen, besucht der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Yukiya Amano, nun Deutschland.

Nach einem Treffen mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und weiteren hochrangigen Diplomaten am Freitag stehen am Samstag Besuche von Kraftwerken auf dem Programm. Im Interview der dpa spricht Amano über die Herausforderungen Deutschlands und das historische Atomabkommen mit dem Iran.


Sandra Walder, Albert Otti: Am 9. Juni 2011 hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Deutschlands Ausstieg aus der Kernkraft verkündet. Wie haben Sie darauf reagiert?

Yukiya Amano: Jedes Land hat das Recht zu entscheiden, ob es Atomkraft verwendet oder nicht. Etwa 30 Länder nutzen sie, zusätzliche 30 Länder überlegen es. Es ist nicht die Rolle der IAEA, die Entscheidung der Länder zu beeinflussen. Aber Deutschland muss das Thema des Rückbaus und der Abschaltung von Kernkraftwerken ebenso wie die Endlagerung von nuklearem Müll angehen. Das sind keine leichten Aufgaben.

Drei AKW sind noch in Deutschland in Betrieb (7 Bilder)

Seit März 1984 ist Block C des AKW im bayerischen Gundremmingen in Betrieb. Block A war von 1967 bis 1977 in Betrieb. Der 1984 ans Netz gegangene Block B wurde am 31. Dezember 2017 abgeschaltet, Block C – ebenfalls 1984 in Betrieb genommen – folgte Ende 2021. (Bild: kkw-gundremmingen.de)

Walder, Otti: Besonders die Suche nach einem Endlager für den Atommüll gestaltet sich schwierig. Verstehen Sie die Sorgen der Bewohner?

Amano: Ja, die kann ich völlig nachvollziehen. Die gesellschaftliche und öffentliche Akzeptanz ist das größte Problem. Um die Bevölkerung besser zu verstehen, ist Transparenz und Dialog unverzichtbar. Eine Expertenmission der IAEA wäre in diesem Fall sicherlich hilfreich, wenn sie angefordert werden würde.

Walder, Otti: Würden sich die Experten um die Stimmung in der Bevölkerung kümmern oder den Atomausstieg generell?

Amano: Bei unseren Expertenmissionen geht es um den Kern der Sache: Rückbau, Sicherheit und all die anderen technischen Themen. Wenn die Regierung unsere Vorschläge annimmt, heißt das, dass alles in einer sicheren Weise abläuft. Das erhöht das öffentliche Vertrauen.

Walder, Otti: Sehen Sie Deutschland als Vorbild in Sachen Energiewende?

Amano: Ich respektiere die Auffassung Deutschlands, wie auch die Auffassung anderer Länder. Ein Land wie Deutschland kann sich auch höhere Preise für Elektrizität leisten. Arme Länder können das nicht.

Walder, Otti: Warum haben sich nach dem Unfall in Fukushima nicht mehr Länder ein Beispiel an Deutschland genommen?

Amano: Es geht auch um den Klimawandel. Viele Länder denken, dass sie die Ziele, besonders die des UN-Klimaabkommens, sonst nicht erreichen können. Außerdem wollen sie stärkere Energiesicherheit.

Walder, Otti: Was bedeutet der Atomausstieg für die globale Nuklearenergie?

Amano: Nach dem Unfall in Fukushima haben viele gedacht, dass Atomkraft keine Zukunft haben wird. Es wurde gesagt, dass die deutsche Entscheidung ein Beweis dafür ist. Aber die Fakten belegen das nicht. Wir haben jetzt 450 Kernkraftwerke in Betrieb, 60 sind in Bau und 30 Länder sind in der Warteschlange. Die Geschwindigkeit des Wachstums ist langsamer geworden, aber wir sollten die große Frage des Klimawandels nicht vergessen. Atomstrom reduziert die Emission von Treibhausgasen.

Walder, Otti: Welche Auswirkungen hat das Weltklimaabkommen für die IAEA?

Amano: Es ist etwas verfrüht das zu sagen, aber die Stimmen nehmen zu, die sagen, dass es ohne Atomkraft nur sehr schwer ist, die Verpflichtungen des Weltklimaabkommens zu erfüllen. Die Expansion findet auch nicht in Europa statt, sondern in Asien: China, Indien, Südkorea. Diese Länder überlegen sich: Wie sie ohne Atomenergie, Elektrizität für eine Milliarde Menschen sicherstellen?

Die Folgen des Tsunami, der auch zur AKW-Katastrophe in Fukushima führte (9 Bilder)

Zerstörte Ortschaft

Luftaufnahme aus Sukuiso, eine Woche nach dem Tsunami (Bild: NOAA/NGDC, Dylan McCord, U.S. Navy)

Walder, Otti: Ganz anderes Thema: In letzter Zeit sind die Spannungen zwischen den USA und Russland wieder gestiegen. Beunruhigt Sie es, dass die zwei Kernländer hinter dem historischen Iran-Atomabkommen Probleme miteinander haben?

Amano: Es ist nicht das erste Mal, dass es in den Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Russland Auf und Abs gibt. Aber ich glaube, dass es bei dem Deal ein starkes gemeinsames Interesse zwischen den sechs beteiligten Ländern und der EU gegeben hat. Ich habe keine Hinweise, dass die momentane Situation zwischen den USA und Russland Auswirkungen auf den Iran-Deal haben könnte.

Walder, Otti: Das heißt, der Iran-Deal ist in trockenen Tüchern?

Amano: Einige Menschen sagen, es ist nun alles unter Dach und Fach. Aber es ist ganz und gar nicht vorbei. Jetzt beginnt es erst. Die Umsetzung des Abkommens ist noch zerbrechlich. Wie wird das Ergebnis der US-Wahlen sein? Wie wird die Wahl im Iran ausgehen? In den USA und im Iran gibt es viele Menschen, die den Deal nicht unterstützen. Es gibt wenig Vertrauen. Kleine technische Fehler, kleine Misserfolge bei der Umsetzung können zu großen politischen Themen werden, die großen negativen Einfluss auf das Abkommen haben könnten. (kbe)