Fusionsenergie: MIT stellt Rekord auf

Mit 2,05 Atmosphären haben Forscher am MIT beim Plasmadruck in einem Fusionsreaktor eine neue Bestmarke aufgestellt. Für die Fusionsenergie ist das ein wichtiger Schritt.

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An seinem letzten Tag lief er noch einmal auf Hochtouren: Forscher am Massachusetts Institute of Technology MIT erzeugten im Fusionsreaktor Alcator C-Mod des Plasma Science and Fusion Centers erstmals einen Plasmadruck von über zwei Atmosphären. Das ist Weltrekord und stellt den bisherigen Spitzenwert von 1,77 Atmosphären in den Schatten. Dieser wurde 2005 ebenfalls mit dem Alcator C-Mod erzielt. Während die Laufzeit des MIT-Reaktors damit planmäßig beendet wird, freut sich das Team um den Wissenschaftler Earl Marmar über den Erfolg.

Die Fusionsenergie gilt als eine der vielversprechendsten Energiequellen. Sie ist die Kraft, die auch der Sonne Energie liefert. Dabei treffen erhitzte Wasserstoff-Atome mit hohen Geschwindigkeiten aufeinander. Sie verschmelzen zu Helium, Energie wird freigesetzt. Der Haken: Auf der Erde lässt sich das nur schwer reproduzieren.

In Fusionsreaktoren versuchen Forscher das in so genannten Tokamaks. Die Brennkammer erinnert in ihrer Form an einen Doughnut, in dessen Innern ein Plasmaring erzeugt wird, der mit Hilfe von Magnetfeldern zusammen gehalten wird.

Die hohen Temperaturen des Plasmas von mehr als 50 Millionen Grad Celsius zu erzielen, ist das Eine - das geschieht in einem Tokamak über einen im Plasma induzierten Strom und zusätzlich eingestrahlte Mikrowellen. Schwieriger ist aber das heiße Plasma so unter Kontrolle zu halten, dass es weder auseinander fliegt, noch zu oft mit der Wand in Kontakt kommt und dabei Energie verliert. Fusionsforscher interessieren sich daher besonders für das Produkt aus Teilchendichte im Plasma, Temperatur und der so genannten Einschlusszeit – also der Zeit, die ein Plasmateilchen in der Maschine gehalten werden kann.

Ein möglicher technischer Weg, um das Plasma zu kontrollieren, ist, den Fusionsreaktor groß zu machen. Die Plasmakammer des Forschungsreaktors ITER, der regelmäig wegen der exorbitant gestiegenen Kosten in die Schlagzeilen kommt, soll einen Durchmesser von 30 Meter bekommen.

Bei dem am MIT eingesetzten Modell handelt es sich um den weltweit einzigen kompakten Tokamak mit einem hochmagnetischen Feld von bis zu acht Tesla – das entspricht 160.000 Mal der Stärke des Erdmagnetfeldes und ist vergleichbar mit dem Magnetfeld am Large Hadron Collider des Cern. Damit lässt sich gegenüber herkömmlichen Tokamaks ein doppelt so starkes Magnetfeld erzeugen, das wiederum ermöglicht, den vierfachen Plasmadruck kontrollieren zu können.

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Innerhalb des MIT-Reaktors herrschten Temperaturen von über 35 Millionen Grad Celsius, damit war es dort also doppelt so heiß wie im Innern der Sonne. Dabei produzierte das Plasma 300 Billionen Fusionsreaktionen pro Sekunde – in einem Bereich von einem Kubikmeter. Der Plasmaring, den es mithilfe des Drucks aufrecht zu erhalten gilt, hat den Angaben der Forscher zufolge für zwei ganze Sekunden gehalten.

Um die Erzeugung von Fusionsenergie wirtschaftlich zu machen, kommt es vor allem auf das Verhältnis von eingebrachter Energie für die Fusion an und dem Energieertrag. Die MIT-Forscher sprechen von benötigten 1,4 Millionen Ampere und vier Millionen Watt für die Plasma-Heizung. Der Alcator-Reaktor ist jedoch gar nicht dafür ausgelegt, eine solche sich selbst erhaltenden Fusionsreaktion zu kontrollieren.

Der geistige Vater des Alcator-Reaktors, der inzwischen emeritierte Bruno Coppi, hat zuletzt 2010 versucht, diese Vision noch einmal zu verwirklichen. Für den IGNITOR-Reaktor, ein Gemeinschaftsprojekt von Coppi mit russischen und italienischen Forschern, wurde zwar 2010 ein Fördervertrag zwischen der russischen und der italienischen Regierung beschlossen. Das Projekt ist jedoch offensichtlich wegen politischer Spannungen nicht mehr von der Stelle gekommen. Die Auseinandersetzung mit und um die Ukraine "waren nicht hilfreich" schrieb Coppi 2015 auf Anfrage von TR.

Der Rekord vom Alcator C-Mod wird voraussichtlich einige Zeit bestehen bleiben. Ein Teil des Budgets vom US Department of Energy (DoE) wird künftig in das Fusionskraftwerk ITER fließen. Das Großprojekt im südfranzösischen Cadarache soll nach aktuellen Berichten 2035 in Betrieb gehen – ursprünglich war der Start für dieses Jahr vorgesehen. Die Baukosten waren anfänglich mit fünf Milliarden Euro angegeben. Bis zur Zündung werden es voraussichtlich mehr als 18 Milliarden Euro sein. Im ITER sollen dann ein Plasmadruck von 2,6 Atmosphären möglich sein.

Dass es möglich ist, Fusionsenergie in kompakten Reaktoren wirtschaftlich zu erzeugen, glauben indes nicht nur die MIT-Forscher: Diverse private Unternehmen arbeiten mittlerweile an kompakten Fusionsreaktoren und hoffen, bereits Mitte der 2020er Jahre damit Strom erzeugen die können. Das britische Unternehmen Tokomak Energy zum Beispiel setzt auf einen "sphärischen Tokamak", geformt wie ein Apfel mit herausgestochenem Kerngehäuse, mit dem Plasma besser verdichtet werden kann. Erste Prototypen mit Hochtemperatur-Supraleiter-Spulen erzeugen die für diesen Reaktor notwendigen Magnetfelder.

Sieht man sich die Liste der privaten Unternehmen an, die an Fusion forschen, scheint Geld nicht das Problem zu sein. Am meisten Geld hat ein lange sehr mysteriös agierendes Unternehmen namens Tri Alpha eingesammelt: rund 150 Millionen Dollar. Als Geldgeber beteiligen sich etwa die Investmentbank Goldman Sachs und das Unternehmen von Microsoft-Mitgründer Paul Allen, Vulcan.

(wst)