Bundesinnenminister: Internet schafft urdemokratische Zustände

Nicht nur eine effizientere Verwaltung, auch mehr Bürgernähe und Demokratie werde durch das Internet möglich - eine E-Gora, vergleichbar der Agora.

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Von
  • mbb

Für Bundesinnenminister Otto Schily hängt die Lebensqualität der Bürger davon ab, wie gut und wie schnell der Staat Dienstleistungen erbringt. 69 Prozent der Bürgerinnen und Bürger wünschen sich, ihre Behördenangelegenheiten über das Internet erledigen zu können, betonte Schily heute zum Auftakt des Berliner Kongresses Effizienter Staat – Resümee der Modernisierung. Der Bürger wolle staatliche Dienstleistungen schneller und unkomplizierter in Anspruch nehmen. Daher müsse die öffentliche Verwaltung einfacher und unbürokratischer organisiert werden. "Die heute 13-Jährigen werden es in fünf Jahren nicht mehr verstehen, wenn sie ihren Personalausweis oder ihren Führerschein nicht über das Internet beantragen können", mahnte Schily. Erneut bestätigte er, es sei das Ziel der Bundesregierung, bis Ende 2005 alle internetfähigen Dienstleistungen der Bundesverwaltung online anzubieten.

Auch die Wirtschaft habe ein Interesse daran, dass der Staat seine Dienstleistungen elektronisch anbiete, sagte Schily. Daher müsse die durch E-Commerce-Anwendungen erwirkte Neugestaltung der Datenabläufe in Unternehmen auch in der Verwaltung stattfinden. "E-Government ist das Pendant zu E-Commerce", erklärte der Bundesinnenminister. Ebenso wie beim elektronischen Supermarkt Kosten eingespart werden könnten, müsse auch die Verwaltung mehr leisten und gleichzeitig weniger kosten. Als Beispiele für bereits umgesetzte Konzepte auf dem Weg zum BundOnline nannte Schily die elektronische Arbeitsvermittlung durch die Arbeitsämter. In Kürze werde jeder Bürger bei der Bundesanstalt für Arbeit Auskunft über den Stand seines Rentenkontos erhalten, kündigte Schily an. Vorbildlich sei auch das Bundesverwaltungsamt mit der Abwicklung der BaföG-Rückzahlung über das Internet. Seit dem 1. November 2000 haben 500.000 BaföG-Rückzahler die Möglichkeit, mit ihrem Sachbearbeiter über das Internet zu kommunizieren.

In Deutschland erteilen jedes Jahr 30.000 staatliche Stellen mehr als eine Million Aufträge über Lieferungen und Dienstleistungen. Noch in diesem Jahr werden die ersten Behörden-Beschaffungen über das Internet abgewickelt. Dieser E-Commerce der Rathäuser spare Kosten in Milliardenhöhe, stellte Schily in Aussicht. Auch die Bundesdruckerei, die täglich 60.000 Personalausweise und 30.000 Führerschein auf elektronischem Wege bereitstelle, habe Vorbildfunktion für moderne Verwaltungsabläufe. Gemeinden können Personbalausweisanträge elektronisch an die Bundesdruckerei übermitteln. Dadurch werde im Vergleich zum Schneckenpostweg eine Woche Bearbeitungszeit eingespart.

Geht es nach den Vorstellungen des Bundesinnenministers, dann kann der Bürger bald locker flockig mit Verwaltungsbeamten hin- und hermailen: Obwohl Deutschland eine Massendemokratie sei, stelle das Chatten und Mailen im Internet urdemokratische Zustände wieder her, schwärmte Schily. Vergleichbar dem politischen Marktplatz der alten Athener, der Agora, gebe es im digitalen Zeitalter die E-Gora. Gleichzeitig musste Schily allerdings einräumen, dass er selbst mit der prompten Beantwortung der via E-Mail an ihn gerichteten Fragen nicht immer nachkomme. Dies sei aber nur ein Hinweis darauf, dass jede Verwaltung, die ihre Dienstleistungen online anbieten wolle, bereit sein müsse, ihre Verwaltungsabläufe radikal zu ändern, betonte Schily. (mbb/c’t) / (jk)