Nach der Euphorie - Startups sterben

Die schlechten Nachrichten für Dot.Coms wollen kein Ende nehmen, und offen wird nun über das mögliche "Startup-Sterben" geredet.

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Von
  • Matthias Schröter
  • dpa

Schlechte Nachrichten am laufenden Band lieferten die Agenturen im vorigen Jahr, wenn es um die Startups und Dot.Coms ging. Zwei magische Wörter, die die Kurse der neuen Märkte an den Börsen rasend in die Höhe hatten schnellen lassen. Zum Jahreswechsel hatte sich Ernüchterung breit gemacht. Und was bis dahin nur unter vorgehaltener Hand getuschelt worden war, sprach jetzt jeder offen aus: "Startup- Sterben". Leere Kassen ließen viele Börsenneulinge stöhnen – mit Häme wurden sie von den Internet-Skeptikern überschüttet.

"Ein Großteil der Startups lebte davon, regelmäßig refinanziert zu werden", sagt Bernd Skiera, Professor für E-Commerce am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre der Uni Frankfurt. "Die Geschäftsmodelle sahen vor, dass erst Jahre nach der Gründung schwarze Zahlen geschrieben werden." Nach dem Einsturz der Aktienkurse fänden die Dot.Coms aber keine neuen Investoren mehr. Es sei eine Frage der Zeit, wann weiteren Unternehmen das Geld ausgehe.

Der Telekommunikations- und Internet-Spezialist Gigabell war das erste am Neuen Markt notierte Unternehmen, das einen Insolvenzantrag gestellt hatte. Auch der Internet-Dienstleister Surf1 war im September 2000 zahlungsunfähig. Die Kölner Portal AG, Anbieter von Internet-Portalen, stellte ebenfalls im Herbst einen Insolvenzantrag. Der Hamburger Internet-Ticket-Anbieter Gaudia.com folgte im Oktober. Für Schlagzeilen sorgte zuletzt der niederländische Internet-Händler LetsBuyit.com im Januar, der in letzter Minute den Konkursantrag zurücknahm.

Die Zahl der Internet-Pleiten hat im letzten Viertel des Jahres 2000 deutlich zugenommen. Fast 60 Prozent der weltweit registrierten Schließungen wegen Liquiditätsproblemen von mindestens 210 Dot.Com- Firmen im vergangenen Jahr entfielen auf das Schlussquartal. Regional war Kalifornien einer Studie der dortigen Firma Webmergers.com zufolge mit 30 Prozent betroffen. Elf Prozent seien auf Westeuropa entfallen.

Dem Abwärtssog der US-Technologiebörse Nasdaq folgte hierzulande eine Serie von Pleiten und Fehlprognosen bei zahlreichen Jungunternehmen. Zum Jahreswechsel lag der Neue Markt bei einem Jahrestief – und bislang scheint das Ende der Talfahrt noch nicht in Sicht. Nachdem der Nemax-50 am gestrigen Montag mit 1.836,91 Punkten schloss, fiel der Index am heutigen Dienstagvormittag bereits um weitere 3,93 Prozent. Gut vier Jahre nach dem Start ist der Neue-Markt-Index damit weit von seinem Höchststand von 9.694,07 Punkten entfernt. "Überzogene Erwartungen" in die Aussichten der neuen Technologien machte der Chef-Anlageberater der Deutschen Bank, Alfred Roelli, als Treibstoff für die rasanten Kursanstiege aus. "Fundamentale Bewertungsmaßstäbe traten angesichts dieser Chancen in den Hintergrund." In dieser überhitzten Lage reichten dann einige Negativnachrichten aus, um die Spekulationsblase zum Platzen zu bringen.

Studien belegen die Probleme der Dot.Coms und Startups. Den Machern wird Traumtänzertum vorgeworfen. Jedes zweite Internet-Unternehmen scheitert an Fehlern im Personalmanagement, wie eine Studie der Unternehmensberatung Arthur Andersen ergab. 60 Prozent der Existenzgründer glaubten selbst nicht fest genug an ihre Pläne. "Die gute Geschäftsidee ist für Dot.Com-Unternehmen allenfalls die halbe Miete", hieß es. Nach Ansicht von E-Commerce-Professor Skiera sind jedoch nicht allein die Gründer Schuld am Startup-Sterben. Anleger hätten übertrieben auf Meldungen reagiert, wenn "ein Unternehmen nur viel Geld ausgegeben hat". Existenzgründer seien in den Markt getrieben worden. Darauf hätten die Geber von Risikokapital reagiert. Denen sei durch die einbrechenden Kurse jedoch viel Geld verloren gegangen. "Bei diesen Unternehmen stehen auch die ersten Insolvenzen an."

Zudem sei es zunehmend schwierig, Geschäftsideen im Internet zu etablieren, sagt Skiera. Unternehmen der ersten Stunde wie Internet-Dienstleister Yahoo und Online-Buchhändler Amazon hätten früh Felder abgedeckt, bei denen Nachzügler dann mit ihren Geschäften gescheitert seien. Allein in Deutschland benötige ein Startup etwa 50 Millionen Mark, um eine Marke über einen längeren Zeitraum zu etablieren, sagt der Betriebswirtschafts-Professor. (Matthias Schröter, dpa) / (jk)