Klartext: SUVtroader
Ducati zeigt auf der Eicma in Mailand die Scrambler "Desert Sled". Obwohl nur sehr wenige Teile am Baukasten verändert wurden, trifft dieses Gerät einen Nerv zwischen den Trends Retro, SUV und Wellness
Der Tsunami des Retro-Trends rollt weiter, gut zu sehen auf der gerade laufenden Motorradmesse Eicma in Italien. Peak Cafe Racer liegt wohl glücklicherweise hinter uns. Ducati zeigt auf der fallenden Seite des Peaks noch ein hüsch gemachtes Modell "Cafe Racer" aus dem Scrambler-Baukasten mit dem üblichen peinlichen Video, in dem sich jemand bei homöopathischer Schräglage verkrampft raushängt, als wolle er vom Sitz fallen. Ich werde diese Videos nicht vermissen. Die Retromode hat sich allerdings harmonisch verpaart mit der Tallrounder/Softroader-Mode und hier einige interessante Blüten hervorgebracht. Es sind sehr flüchtige Baukastensystemblüten, an die wir uns in zehn, zwanzig Jahren nicht mehr erinnern werden, aber leben wir das Zen des Moments, in dem sie wunderschön aussehen.
Die heilige Vergangenheit
BMWs Classic GS aus dem nineT-Baukasten musste kommen, und die einzige Überraschung war es jetzt, dass sie nicht "Classic G/S" heißt, sondern "Urban G/S". Wahrscheinlich trat BMW einige Schritte vom Motorrad weg und sagte sich: "Ne. Mit den paar Millimetern Bodenfreiheit müssen wir was schon im Namen machen." Also Örben, damit niemand mehr erwartet an Offroad-Eigenschaften als eine gekieste Hofeinfahrt sturzfrei bewältigen. Im Konzept "Lac Rose", mit dem das Modell angewunken wurde, traute sich BMW noch knallige Farben. Mit diesem orangen Kopf sah das Motorrad aus wie Ernie aus der Sesamstraße, aber es passte zur bodennahen Quietscheentchen-Form. Das Produktionsmodell dagegen nähert sich der R 80 G/S so stark an, wie es Baukasten und Grundregeln der Gestaltung erlauben.
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Es ist ein konservatives Motorrad für eine konservative Kundschaft, die dann auch eher die 13.000 Euro ausgibt, die BMW für die schön gemachte Detailparade aufruft. Mir persönlich hätte etwas mehr Mut gefallen. Doch für BMW ist die R 80 eine heilige Maschine, weil dieses Modell den Bayern damals den Laden rettete. Da wird dann sehr vorsichtig vorgegangen auf dem Zeichentablett. Die Mischung aus Moderne mit Zitaten des Alten, die mir die erste R nineT so schmackhaft machte, findet sich in der Örben GS nur noch in den Teilen, die modern aussehen, weil sie so im nineT-Baukasten liegen. Die für mich interessanten BMW-GS-Modelle waren daher die 300 GS und die Lego-GS. Wir finden jedoch ein modernes Design im selben Wohlfühl-Pseuduro-Segment bei Ducati: Der Scrambler "Desert Sled" möchte ich schon jetzt den Justin-Bieber-Schlüsselanhänger in lila PVC überreichen für ihren Auftritt als Schönheitskönigin der Mailänder Messe.
Die neue Ducati XT 800
Vielleicht profitiert die Desert Sled davon, dass sie ein tolles Video hat, in dem ein Könner richtig schön Motorrad fährt. Es kontrastiert stark mit Ducatis Video des Cafe Racers, das aussieht wie "Fast & Furious" in den Cheesy Seventies. Es fehlen eigentlich nur noch die angestrengten Gesichter bei den zehn Millionen Schaltvorgängen in halbstündigen Beschleunigungsrennen-Szenen. Wie alle Scrambler-Modelle kommt natürlich auch der Wüstenschlitten vollkommen überladen mit Marketing daher. Das nervt mich unheimlich, weil ich das Motorrad ganz sympathisch finde, aber es nervt offenbar weniger als es wirkt, denn Ducati verkauft den Scrambler-Baukasten seit Lieferbeginn sehr gut. Die Desert Sled hat jedoch einen weiteren Vorteil: Sie hat das Glück, eine aktuell weit offen stehende Herzensstelle zu treffen.