Reichtum statt Sparsamkeit: Dobrindt will Datenschutz lockern

Infrastrukturminister Alexander Dobrindt plant eine "digitale Agenda 2017+". Laut einem Zeitungsbericht will er damit "weg vom Grundsatz der Datensparsamkeit, hin zu einem kreativen und sicheren Datenreichtum". Doch es hagelt Kritik.

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Reichtum statt Sparsamkeit: Dobrindt will Datenschutz lockern

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Alexander Dobrindt, Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur, hat seine erstmals vor einem Jahr auf dem IT-Gipfel der Bundesregierung umschriebene Vision einer datengetriebenen Wirtschaft und Gesellschaft zu Papier gebracht. Er strebt damit an, den Schutz oft auch personenbeziehbarer Informationselemente umfassend zu ändern. "Wir brauchen ein Datengesetz", zitiert die Süddeutsche Zeitung aus einem Strategiepapier des CSU-Politikers für eine "digitale Agenda 2017+".

"Wir wollen weg vom Grundsatz der Datensparsamkeit, hin zu einem kreativen und sicheren Datenreichtum", sei dazu zu lesen. Daten seien der Rohstoff der Digitalisierung und bildeten die Grundlage für digitale Wertschöpfung. Unternehmen sollten mehr Möglichkeiten erhalten, das neue Öl der Wirtschaft zu fördern und zu vermarkten.

Das Prinzip der Datensparsamkeit gilt als deutsche Erfindung, es findet sich auch in der neuen EU-Datenschutzverordnung wieder. Der Grundsatz bezieht sich auf personenbezogene Informationen, viele von Maschinen oder Sensoren in der vernetzten Welt mehr oder weniger automatisch generierte "Big Data" gehören also nicht dazu. Andernfalls können sie in weiten Bereichen anonymisiert oder zumindest pseudonymisiert werden, waren sich Teilnehmer eines Kongresses zu "Smart Data" mit der "Internetbotschafterin" Gesche Joost einig. Auch dann stünde einer weiteren Verarbeitung unter "ethischen Grundsätzen" nichts im Wege.

Dobrindt geht dies offenbar nicht weit genug. Er will im Interesse nicht nur der Internetwirtschaft verhindern, dass Deutschland und Europa zu einer "kleinen Datenkolonie der Asiaten und der Amerikaner" werden. In der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und im Kabinett erhält er Rückendeckung. So unterstrich etwa Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf dem IT-Gipfel in Saarbrücken am Donnerstag, dass Datensparsamkeit nicht die Richtschnur sein könne für neue Produkte.

"Ich finde den Ansatz sympathisch", erklärte der Digitalexperte der CDU, Thomas Jarzombek, gegenüber heise online. Das größte Problem sei derzeit ein "falsch verstandener Datenschutz". Oft werde von vornherein behauptet, dass dies und das im Umgang mit der neuen Kernressource nicht gehe, obwohl vieles doch mit dem Grundsatz der informationellen Selbstbestimmung vereinbar sei.

So habe der Bundestag nach Rücksprachen mit der Bundesdatenschutzbeauftragten Andrea Voßhoff jüngst beschlossen, dass Daten aus der Lkw-Maut als Open Data geöffnet werden sollen, brachte Jarzombek ein Beispiel. Er plädiere zudem etwa dafür, dass vernetzte Autos Informationen zur Fahrbahnqualität erfassen sollten, um bedarfsgerechtere Reparaturen zu ermöglichen. Derlei müsse nicht nationalem Datenschutzrecht widersprechen. Ihm komme es vor allem darauf an, dass dieses nicht über den im EU-Rahmen verbliebenen Spielraum verschärft werde.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel befürwortet ebenfalls seit einem Jahr den Begriff der "Datensouveränität" und hat sein Verständnis davon gerade in einem Gastbeitrag für die Welt ausgeführt. "Mit großen Datenmengen zu hantieren, ist eine grundlegende Bedingung für unternehmerischen Erfolg geworden, aber eben auch für gesellschaftliche Innovation." Dafür müsse sich Deutschland "zu Big Data als Prinzip der digitalen Schatzsuche bekennen und gleichzeitig die Regeln dafür neu justieren".

"Es gehört zu den Kernaufgaben des Staates, die Daten seiner Bürger zu schützen", weiß Gabriel. "Wenn nun der Wert dieser Daten steigt, steigt auch die Bedeutung dieser Aufgabe." Trotzdem erscheint ihm "der klassische Ansatz der Datensparsamkeit dagegen hilflos inmitten einer Welt, in der Kommunikations- und Konsumverhalten, Vernetzung und Sensorik immer neue Datenquellen zum Sprudeln bringen" und wandelt so auf den Spuren Dobrindts.

Der Ex-Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar räumt ein, "dass unsere hochtechnisierten Gesellschaften zunehmend 'Datenreichtum' produzieren". Mit dem Schlagwort werde aber offenbar "ein Popanz aufgebaut, "um den ohnehin löcherigen Schutz personenbezogener Daten weiter abzusenken". Es gebe "auch in reichen Gesellschaften durchaus Gründe, sparsam zu handeln, sei es im Umgang mit natürlichen Ressourcen oder auch als Vorsorge für Notsituationen". Es stelle sich die Frage des rechten Maßes, zumal "eine Speicherung von Daten ohne vorgegebenen Zweck eine Vorratsspeicherung darstellt, die nur in besonderen Verarbeitungskontexten überhaupt zulässig sein kann".

Für den Vizechef der grünen Bundestagsfraktion, Konstantin von Notz, ist die neu aufflammende Debatte ein Zeichen dafür, "dass mal wieder IT-Gipfel-Zeit ist". Jedes Ministerium haue innerhalb der großen Koalition "nicht ansatzweise abgestimmte Vorlagen raus". Im Gegensatz zu Gabriel singe Dobrindt "erneut das hohe Lied der Daten, die frei und ungeschützt fließen müssten". Deutlich werde so: "Hier geht es nicht mehr um Sachpolitik, sondern um das Abstecken netzpolitischer Claims im Vorwahlkampf." (anw)