Schwerkraftwagen

Im Test: Jaguar F-Pace 30d AWD

Der F-Pace hat mit einem klassischen Jaguar kaum noch etwas zu tun. Das hat nicht nur Vorteile. Das SUV fährt sich gut und bietet modernes Infotainment, doch speziell in einem Bereich sollte Jaguar zügig nachbessern

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Jaguar 31 Bilder

(Bild: Jessica Franz-von Ahn)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Daniel Schraeder
Inhaltsverzeichnis

Einige Marken wurden in den vergangenen Jahren so rasch und heftig gedehnt, dass manch einer so seine Mühe haben mag, bei den Erweiterungen noch Schritt zu halten. Jaguar ist dafür ein gutes Beispiel: Waren das nicht einst elegante, zierlich Limousinen mit beigem Interieur und viel Holz? Vorbei. Auto-Hersteller bauen ihr Angebot aus, und irgendwie lässt sich auch fast alles passend zu einer Marke konstruieren, zumindest in den Büros der Produkt-Argumentatoren. Der F-Pace ist kein typischer Jaguar mehr, doch wie steht es um seine Qualitäten abseits dieser Betrachtung? Ein Test mit dem Dreiliter-Diesel sollte das klären.

Wuchtig

Da steht er nun, in einem hübschen Dunkelblau, mit riesigen Rädern. Groß und hoch, vorne eindeutig eine Jaguar-Front tragend, mit zentralem Kühlergrill und großen Lufteinlässen, die wirken, als würde er die Kleinwagen vor sich auf der Straße einsaugen wollen. Über die Motorhaube ziehen sich Falze im Blech bis zur Frontscheibe, die den Wagen breit und wuchtig wirken lassen. Die Formensprache wiederholt sich auch an den Seiten, etwa mit einer Verlängerung der seitlichen Lufteinlässe bis in die Fahrertür. Zierlich oder gar grazil ist an dieser Wuchtbrumme eigentlich nichts. Klar ist: Der Brite fällt auf. Ob das nun gut oder schlecht ist, ist sicherlich Geschmackssache.

Aber irgendwie wirkt am Jaguar bei genauerem Hinsehen einiges ein bisschen lieblos. Die Spaltmaßen der Türen schwanken von vorne bis hinten und von oben nach unten teilweise daumenbreit, die Chrom-Zierleisten schließen nicht bündig ab, teilweise stimmen die Abstände auf der einen Seite, aber nicht auf der anderen. Für Perfektionisten ist das nichts – ein Eindruck, der nicht nur auf das Exterieur zutrifft.

Begehrenswerter Antrieb

Der Testwagen hat wohl die begehrenswerteste Motorisierung, die Jaguar für den F-Pace anbietet. Der Sechszylinder-Biturbo-Diesel mit 300 PS und 700 Nm Drehmoment sorgt für reichlich Vortrieb bei noch halbwegs erträglichem Verbrauch. Die Alternativen sind ein Vierzylinder-Diesel mit 180 PS sowie zwei Sechszylinder-Benziner mit 340 und 380 PS. Aus akustischen Gründen sind die Benziner sicher interessant. Bei einer Fahrzeughöhe, die einem Billy-Regal recht ähnlich ist, kann der Spritverbrauch aber zur nachhaltigen Spaßbremse werden. Von nichts kommt eben nichts – wer diese Kombination aus Stirnfläche und Gewicht unbedingt mit Verve vorantreiben will, darf in diesem Punkt nicht zimperlich sein.

Aber auch der große Diesel macht Spaß. Er tritt kräftig an, zieht bis Tempo 180 auf der Autobahn mit richtig Druck durch und wirkt auch darüber hinaus nicht zäh. Der Hersteller verspricht 6,2 Sekunden von 0 auf 100, der Benziner soll es gar in 5,8 Sekunden schaffen. Aber der Klang: Während die meisten Sechszylinder-Diesel der Konkurrenz heute, Sounddesign hin oder her, kräftig und vielleicht sogar ein bisschen sportlich klingen, erzeugt dieser Motor auch bei Vollgas-Beschleunigung keine Gänsehaut. Ein Fahrer will gar akustische Ähnlichkeiten zu Baumaschinen erkannt haben – ein hartes Urteil, das in der Redaktion keine Mehrheit hatte.

Jaguar setzt auf die Achtstufen-Wandlerautomatik von ZF, die beispielsweise auch bei BMW eingebaut wird und dort hervorragende Dienste leistet. Auch beim Jaguar kann sie überzeugen. Bei warmen Getriebeöl sind Gangwechsel nicht zu spüren, beim langsamen Beschleunigen fluppen die Gänge nur so durch. Und wer kräftig Gas gibt, braucht keine Gedenksekunde abzuwarten: Das Getriebe legt blitzschnell die passende Stufe ein und die schwere Fuhre legt los. Trotzdem wirkt der F-Pace auf der Straße irgendwie emotionslos. Trotz Kraft fühlt er sich beim Gleiten im Verkehr wohler als beim Versuch, einen Sportler mimen zu wollen. Er bleibt ein SUV und kein Coupé.

Das Fahrwerk schluckt Bodenunebenheiten gut weg, scheitert auch nicht bei tiefen Schlaglöchern am Feldwegrand, wie es sich für ein SUV gehört, und vermittelt dennoch Kontakt zur Straße. Die Lenkung ist präzise. Man fühlt sich auch jenseits der 200 km/h noch wohl, Grip zur Straßen ist jederzeit im Überfluss vorhanden, auch schnelle Lenkbewegungen setzt der F-Pace exakt um. Nur das recht defensive ESP erhebt bei sportlicher Gangart öfter mal den Zeigefinger und bremst forsche Manöver sanft ein.

Zwei Tanks

In der Praxis haben wir den vom Hersteller angegebenen Verbrauch von sechs Litern auf 100 Kilometer nicht erreicht, was wohl auch keiner erwartet hat. Die Wahrheit liegt bei rund neun Liter auf 100 Kilometer, wer es etwas langsamer angehen lässt, hat eine acht vor dem Komma, wer öfter stark beschleunigt, kommt in Regionen oberhalb von elf Liter. Das ist nicht wenig, aber wie bereits angedeutet, steht das Konzept gravierend besseren Werten im Weg. Zur Reduzierung von Stickoxiden setzt Jaguar auf einen SCR-Kat. Der Adblue-Tank fasst 17 Liter und soll für bis zu 23.000 Kilometer reichen. In der Praxis ist dieser Wert immer abhängig vom erzielten Kraftstoffverbrauch – hoher Werte bedeuten gleichsam einen hohen Adblue-Verbrauch. Anders ausgedrückt: Wer zügig unterwegs ist, muss auch diesen Tank früher wieder auffüllen.

Display eröffnet neue Möglichkeiten

Hinter dem Lenkrad gibt es eine große, schwarze Fläche. Anstelle konventioneller Rundinstrumente oder einer Mischform gebaut Jaguar ein großes LC-Display ein, auf dem wahlweise drei Rundinstrumente eingeblendet werden oder eine 3D-Navikarte mit digitalem Tacho. Als Technikfan freut mich das, während der Petrolhead in mir eine kleine Abschiedsträne weint. Und dazu gehört eben auch, dass man bei seitlich einfallender Sonne auf dem Display wenig bis gar nichts sieht. Spätestens in solchen Momenten beginnt man, den Fortschritt dieser Dinge infrage zu stellen.

Über ein Sammelsurium an – erstaunlich billig gemachten – Lenkradtasten kann der Fahrer die Inhalte und die Darstellung in engen Grenzen anpassen. Es gibt ein paar verschiedene Grunddesigns mit ein paar Features – beim Einlegen des Sportmodus tauschen beispielsweise Tacho und Drehzahlmesser den Platz. Und man kann auswählen, was auf dem dritten virtuellen Rundinstrument erscheint: Der aktuelle Radiosender, eine (virtuelle) analoge Uhr oder das Jaguar-Logo. Wirkt irgendwie so, als hätte da halt noch etwas hin gemusst, und das ist schade: Wer ein Display anstelle von Zeigern einbaut, kann die (Kombi-Instrumenten)-Welt neu erfinden. Jaguar steht dort aber wie alle Hersteller erst am Anfang von großen neuen Möglichkeiten.

Aber gut, man braucht den Platz ja offensichtlich auch für die diversen Einstellungen. Sämtliche Fahrassistenten werden hier konfiguriert, Spurverlassenswarner, Bordsteinautomatik des Außenspiegels, Schilderkennung. Die Menüs sind so umfangreich wie die Ausstattung, man muss sich damit befassen. Wenn das Auto etwas tut, was man so nicht möchte, findet sich hier sicher irgendwo die passende Option.

Bedienung nicht ganz ausgereift

Oder auf dem zentralen Touchscreen-Display, das Bestandteil des Navigationssystems ist. Auch hier gibt es haufenweise Einstellungen und Optionen, teilweise tief verschachtelt und ausgestattet mit einem virtuellen Zurück-Knopf unten links, der sich je nach Menü unterschiedlich verhält – und nicht immer einfach eine Ebene zurückspringt. Jaguar hat hier einiges gut gedacht, aber die praktische Ausführung wirkt nicht so ganz ausgereift.

Ein Beispiel ist die Bedienung der Sitzheizung. Es gibt keine Drehregler oder Drucktasten für die einzelnen Sitze, sondern einen mechanischen Knopf mit einem Sitz drauf. Wer ihn drückt, sieht auf dem Zentraltouchscreen zwei Sitze und hat dort die Möglichkeit, über virtuelle Tasten auf dem Touchscreen die Sitzheizung zu aktivieren und in drei Stufen zu regeln. So weit die Theorie, und das ist schon irgendwie unpraktisch. In der Praxis wird der Jaguar in den ersten ein, zwei Minuten nach dem Kaltstart aber nicht sofort ins Sitzheizungs-Untermenü springen, sondern entweder gar nichts machen oder „Sitz nicht verfügbar“ einblenden. Das System ist noch nicht vollständig hochgefahren. Sitzheizung? Geht nicht. An dieser Stelle wünschen wir uns einfach einen Knopf. Oder einen Drehregler. Oder irgendetwas anderes, mit dem sich die Heizung sofort aktivieren lässt.

Kein Fluchtwagen

Ähnliches gilt auch für den coolen Gangwahlschalter. Statt Hebel oder Joystick gibt es hier einen Drehschalter, der beim Anlassen des Motors aus seiner Versenkung fährt und sich dann von P auf D oder R stellen lässt. Als Fluchtfahrzeug taugt der F-Pace eher nicht, da es nach dem Anlassen durchaus noch ein bis zwei Sekunden dauert, bis man den Regler drehen kann. Kein großes Problem, aber flinke Zeitgenossen werden regelmäßig darüber stolpern.

Wenn ich meine Augen schließe und an Jaguar denke, tauchen vor meinem inneren Auge sofort beiges Leder und Wurzelholz auf. Im F-Pace gibt es statt beiges fast weißes Leder und statt Holz vor allem schwarzes Plastik. Viel schwarzes Plastik, an Türen, Armaturenbrett, Kardantunnel.

Die Lautsprecher verbergen sich hinter schwarzen Plastikgittern, die Ablagefächer in den Türen sind aus Hartplastik. Handschuhfach, Abdeckung des Kombiinstrumentes? Harter Kunststoff, wohin das Auge blickt. Das ist in dieser Preisklasse schon harter Tobak, doch leider noch nicht das Ende. Die Verarbeitung wird einem Auto in dieser Klasse nicht gerecht. Teile der Handschuhfachverkleidung wirken, als hätte sie ein Fabrikarbeiter noch mit einem Schraubenzieher angepasst, der Deckel steht ab, Fugen passen nicht aufeinander. In der Mittelkonsole passen die seitlichen Leisten nicht aufeinander, zwischen Beifahrertür und Armaturenbrett gibt es einen hässlichen Absatz, auf der Fahrerseite nicht. Dafür stand dort die A-Säulen-Verkleidung oben ab. Zu einem Auto für über 70.000 Euro passt das nicht. Jaguar sollte hier schnell gegensteuern.

Viel Platz

Der F-Pace ist innen erfreulich geräumig. Vier Personen finden bequem Platz, und auch hinten kann man trotz abfallendem Dach als großgewachsener Mensch noch gut sitzen. Die Sitze bieten Halt, sind bequem und in vielen Richtungen verstellbar: Hier findet jeder die optimale Position. Und immer wieder gibt es praktische Ablagen – fürs Handy ganz vorne mit Anti-Rutsch-Matte, Fahrer und Beifahrer können ihre Schlüssel seitlich vom Bein unterbringen, oben in der Mitte sitzt ein Fach für die Sonnenbrille.

Der Kofferraum bietet ebenfalls viel Platz, ist aber verbaut. Unter dem Boden befindet sich ein großes Fach, in dem Batterie, Warndreieck, Verbandskasten & Co. Platz finden – aber wenn die Sachen anders angeordnet währen, könnte man hier wohl noch einen zusätzlichen Kasten Bier unterbringen. Schade, dass der Platz im Kofferraum nicht besser genutzt wird.

Fazit

Nüchtern betrachtet ist der Jaguar F-Pace ein gutes Auto. Er bietet viel Platz und hat reichlich Kraft. Dazu kommen ein eigenständiges Design und eine nach wie vor vorhandene Strahlkraft der Marke Jaguar. In der Praxis gibt es aber viele Details, in denen die Konkurrenz besser ist. Bei der Bedienung gibt es noch viel Luft nach oben. Nachbessern muss Jaguar aber vor allem bei der Verarbeitung. Sollte der Testwagen eine typische F-Pace-Qualität zeigen und kein Ausrutscher sein, so ist diese weder der Marke noch der Preisklasse angemessen.

Die Kosten für die Überführung hat Jaguar übernommen, jene für Kraftstoff der Autor. (dar)