Nvidia: Spielerisch intelligent

Seit Jahren beweist Nvidia, dass man mit Grafikkarten mehr machen kann, als Ballerspiele zu zocken. Jetzt will das Unternehmen die künstliche Intelligenz entscheidend voranbringen.

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Grafikchips, die Computerspiele immer realistischer darstellen, bestehen aus Tausenden winzigen Prozessorkernen. Die sind zwar nur auf wenige Rechenoperationen spezialisiert, können sie aber extrem schnell parallel bearbeiten.

Was in den kleinen Kernen sonst noch steckt, demonstrierte die chinesische Regierung recht eindrücklich, als der Supercomputer Tianhe-1a im November 2010 auf der Liste der 500 schnellsten Rechner erstmals die amerikanische Konkurrenz deklassierte – bestückt mit rund 7000 Tesla-Karten von Grafikkartenspezialist Nvidia.

Das Geschäft mit Beschleunigerkarten für Supercomputer ist allerdings auf einen überschaubaren Kreis von Großkunden beschränkt. Dank seiner Erfahrung kann Nvidia nun aber einen ganz neuen, sehr dynamischen Markt erobern: das Maschinenlernen – hier vor allem das sogenannte Deep Learning.

Diese einst obskure Ecke der künstlichen Intelligenz (KI) hat sich zuletzt zu einem der heißesten Trends in der Technologiewelt gemausert. Große Internetunternehmen wie Google, Facebook oder Baidu bieten auf dieser Grundlage Online-Dienste an, die Bilder und Sprache verstehen. Außerdem werden Deep-Learning-Algorithmen bei der Entwicklung von Drohnen, autonomen Autos und anderen Elementen des "Internets der Dinge" eingesetzt.

Wenn diese Firmen Software beibringen, Inhalte von Bildern oder Sprache zu erkennen, nutzen sie künstliche neuronale Netze. Enorme Datenmengen werden dabei durch Tausende von miteinander verbundenen Prozessoren gejagt. Nach Zehntausenden von Beispielen erkennt das System darin vorhandene Muster von selbst und nimmt entsprechende Bewertungen vor. So konnte im Januar ein tiefes neuronales Netz von Google einen der weltbesten Spieler bei dem Brettspiel Go in vier von fünf Partien schlagen.

Das gelingt mit speziellen Rechenchips besonders gut. Intel dominiert zwar nach wie vor den weltweiten Chipmarkt. Doch für Deep Learning sind Qualitäten gefragt, mit denen Intels Prozessoren sich schwertun: Die Hardware muss derart riesige Datenmengen verarbeiten, dass dies am besten zerlegt und parallel geschieht.

Die neueste Hardware-Generation von Nvidia ist speziell für solche Aufgaben ausgelegt: Ihre Pascal-Rechenkarten enthalten nicht nur jeweils rund 3800 Rechenkerne, sondern pumpen Daten mit bisher unerreichter Geschwindigkeit durch das System. Mit dem DGX-1 hat das Unternehmen seit Kurzem sogar einen Server im Programm, in dem acht solcher Karten verbaut sind. Mittlerweile arbeitet Nvidia nach eigenen Angaben mit 3500 Kunden in Branchen von Automobil über Pharma bis zu Finanzdienstleistungen zusammen, die Deep-Learning-Techniken nutzen. Ein großer Nvidia-Kunde ist Baidu, das chinesische Pendant zu Google. Bei der Entwicklung seiner Systeme nutzt der Digitalkonzern viermal so viele Chips von Nvidia wie von Intel, sagt Bryan Catanzaro, leitender Baidu-Forscher.

Mittlerweile sind allerdings auch andere Hardware-Anbieter auf den Zug aufgesprungen: Start-ups wie Knupath zum Beispiel arbeiten an noch radikaler für Deep Learning ausgelegten Chips. Knupath, gegründet vom früheren Nasa-Chef Dan Goldin, hat im Juni einen KI-Chip namens Hermosa angekündigt. Der soll unter anderem dazu dienen, undeutliche Stimmen in lauten Umgebungen zu erkennen. Autofahrer sollen sich beispielsweise per Stimme bei ihrer Bank einloggen können, während das Radio läuft oder die Fenster geöffnet sind. Das Unternehmen hat sich 100 Millionen Dollar Kapital verschafft.

In diesem Mai überraschte auch Google mit der Meldung, an eigenen KI-Chips zu arbeiten. Die sogenannte Tensor Processing Unit setze Google selbst seit mehr als einem Jahr ein. Der Chip war "die einzige Möglichkeit, "um unsere auf Maschinenlernen beruhenden Anwendungen voranzutreiben", teilt Norm Jouppi mit, ein leitender Hardware-Ingenieur bei Google. Und auch der angeschlagene Chip-Gigant Intel ist mit seinem neu entwickelten Xeon-Phi-Chip noch im Rennen. (wst)