Sicherheitskonferenz: Post-faktisches Zeitalter setzt Medien unter Druck

Das in München ausgegebene Bedrohungsszenario "Fake it, Hack it, Spread it" sollten die Medien ein "Get it, vet it, publish it" entgegensetzen. Ein hartes Geschäft in Zeiten von "Fake News", erklärte ein Vertreter der New York Times.

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Sicherheitskonferenz: Post-faktisches Zeitalter setzt Medien unter Druck
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Von
  • Monika Ermert

Trotz deutlich gestiegener Online-Abozahlen der New York Times sieht deren Londoner Bürochef Steven Erlanger die klassischen Medien unter Druck. Die Zahl der Redaktionen, die mehr Geld, mehr Zeit und mehr Arbeit für die Recherche aufwenden, gehe immer weiter zurück, sagte Erlanger am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz. Dorthin hatte Investigativ-Reporter Georg Mascolo zur Nabelschau der Medien im post-faktischen Zeitalter geladen. Erlanger konstatierte dort, jeder mache heute seine eigenen Nachrichten.

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Donald Trump denkt, "wir führten Krieg mit ihm", sagte Erlanger zu den in München viel diskutierten Ausbrüchen des US-Präsidenten. Zwar hatte auf dem Podium der US-Kongressabgeordneten am Sonntag der Senator Lindsey Graham die "Volksfeind"-Zuschreibung abgewandelt: "Es ist mehr so, dass sie einem auf den Sack gehen. Aber sie werden in der Demokratie gebraucht", sagte der Republikaner. Gleichzeitig mussten sich die US-Journalisten aber auch in München sagen lassen, sie hätten sich übermäßig auf Trump eingeschossen. Für Erlanger bleibt offen, ob Trumps Auftritte am Ende nicht einfach dazu dienen sollen, die Glaubwürdigkeit seiner Zeitung und anderer Medien zu untergraben, um schließlich selbst gegen deren Kritik immun zu werden.

Auf der anderen Seite muss sich die New York Times regelmäßig auch den Vorwurf gefallen lassen, sie sei ein konservatives Elitemedium. Wikileaks-Gründer Julian Assange etwa, mit dem die Zeitung vielfach zusammen gearbeitet habe, hatte die ihre Praxis kritisiert, aus überlassenem Material selbst auszuwählen und zu prüfen. Statt sensible Informationen sorgsam zu verwalten sei Assange immer mehr dazu übergegangen, "Zeug einfach in die Öffentlichkeit zu werfen", blickte Erlanger zurück.

Natürlich habe sein Blatt auch hin und wieder falsch gelegen bei solchen Entscheidungen. Dass sich seine Zeitung nicht an der Veröffentlichung der Panama Papers beteiligt habe, war "ein Fehler", räumte Erlanger ein. Eine der ganz dunklen Stunden aber ist für ihn eine andere: die Veröffentlichung falscher Informationen zu Massenvernichtungswaffen im Irak. Er und seine Kollegen hätten gutgläubig gehandelt, aber nicht gut gearbeitet. Trotzdem bleiben für ihn Fake News und Propaganda einseitiger Nachrichtenquellen wie Russia Today oder – wie europäische Kollegen in der Diskussion ergänzten: Fox News – das aktuell gefährlichere Phänomen.

Nicht zu recherchieren und zu veröffentlichen, weil etwas von einem Geheimdienst komme, schloss Erlanger dabei aus. Den Email-Hack der demokratischen Partei habe seine Zeitung veröffentlicht, obwohl sie sicher gewesen sei, dass dieser von Russland über Wikileaks abgesetzt wurde.

Die geheimdienstliche Einflussnahme auf Wahlen zog sich ebenfalls als ein Thema durch die Sicherheitskonferenz. Senator Graham warnte die Europäer am Sonntag noch einmal mit deftigen Worten. "Deutschland, ihr seid die nächsten! Frankreich, danach seid ihr dran!", rief er. Der russische Außenminister Sergej Lawrow hatte Nachfragen dazu am Vortag zurückgewiesen. "Zeigen Sie mir die Beweise", knarzte Lawrow während seines kurzen Auftritts.

Ein Schweizer Journalist sagte in der Post-Truth-Diskussion mit Erlanger, aus journalistischer Sicht reichten die dürren 16 Seiten der US-Geheimdienste kaum als Nachweis. Die zunächst hoch gehandelten und auch von Mascolo berichteten Einflussnahmen Russlands auf die deutsche Öffentlichkeit vor den US-Präsidentschaftswahlen konnten die deutschen Geheimdienste bislang jedenfalls nicht erhärten. BSI-Chef Arne Schönbohm berichtete von einer Reihe von Angriffen auf die demokratischen Institutionen in Deutschland, etwa von mit falschen CDU-Domains aufgesetzten Phishing-Adressen. Auch er wollte sich aber nicht festlegen, inwieweit die russische Regierung hinter den Umtrieben steckte. Die IPs seien aber bis nach Russland verfolgt worden. Abgesehen davon werde das BSI Einblick in den ausführlichen Bericht zur russischen Wahlmanipulation in den US-Wahlkampf erhalten. Der Besuch eines Experten des Amtes bei den US-Kollegen werde gerade abgesprochen. (mho)