Wo sind die Frauen? Die IT-Branche hat ein Gender-Problem

Zwischen Sexismus und Geschlechterkluft: Frauen sind in der Tech-Branche in der Minderheit und müssen oftmals gegen Probleme ankämpfen. Dabei kann die IT-Welt weibliche Fachkräfte dringend gebrauchen.

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Wo sind die Frauen? Die IT-Branche hat ein Gender-Problem

Titelbild einer Studie von Accenture und der Initative "Girls Who Code"

(Bild: accenture.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Jenny Tobien
  • dpa
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Das Problem ist nicht neu, aber hochaktuell: In der IT-Branche herrscht Frauenmangel. "Wir leben im Jahr 2017, aber Tatsache ist, dass die Gender Gap enorm ist", sagt Sabeen Ali, die seit vielen Jahren im Silicon Valley tätig ist. Ihrer Erfahrung nach fühlen sich Frauen gegenüber männlichen Kollegen oft benachteiligt.

Um die Kluft zwischen den Geschlechtern zu verringern, ist die Gründerin und Chefin des kalifornischen Start-ups AngelHack zum Mobile World Congress nach Barcelona gefahren. Die Organisatoren der weltgrößten Mobilfunkmesse veranstalten dieses Jahr erstmals das Programm "Women4Tech". Vier Tage lang wird in Konferenzen und Workshops analysiert, wie mehr Mitarbeiterinnen in die IT-Branche kommen könnten und sich ihre Karrierechancen dort verbessern lassen.

"Wir müssen ein Gleichgewicht herstellen", fordert Nimma Bakshi, Managing Director bei PricewaterhouseCoopers in San Francisco. Seiner Ansicht nach bringt ein höherer Frauenanteil ganz konkrete wirtschaftliche Vorteile: "Gemischte Teams sind kreativer, produktiver und finanziell erfolgreicher."

Doch die Aussichten auf eine Welt ohne Geschlechterkluft sind düster: Laut einer Untersuchung der Unternehmensberatung Accenture und der Initative "Girls Who Code" wird im Jahr 2025 nur einer von fünf IT-Jobs in den USA von Frauen besetzt sein. "Das ist eine nationale Krise mit schweren Auswirkungen auf Amerikas Platz in der globalen Wirtschaft und auf die Zukunft von Frauen", heißt es in der Studie. In Deutschland lag der weibliche Anteil in der IT-Branche einer Bitkom-Umfrage von 2015 zufolge bei 24 Prozent. Im Top-Management waren es gerade mal 5 Prozent.

Tatsächlich scheinen viele Frauen eine geringere Leidenschaft für Fächer wie Mathematik, Informatik oder Technik zu haben. Warum ist das so? Eine von Microsoft in Auftrag gegebenen Studie ergab, dass das Interesse im Alter von 11 bis 16 Jahren am stärksten ausgeprägt ist und dann allerdings rapide absinkt. Verantwortlich dafür seien Faktoren wie Ungleichbehandlung, fehlende Praxiserfahrungen oder der Mangel an weiblichen Vorbildern.

Vereinzelt gibt es Vorzeigefrauen wie Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg, YouTube-CEO Susan Wojcicki oder die Chefin von Microsoft Deutschland, Sabine Bendiek. "Wir können es uns nicht leisten, auf das Potenzial weiblicher Talente zu verzichten", erklärte Bendiek Mitte Februar anlässlich der Studie. Gerade bei jungen Frauen liege ein großes Potenzial, um dem akuten Mangel an digitalen Fachkräften entgegenzuwirken.

Manche der großen US-Konzerne lassen sich inzwischen einiges einfallen, um Mitarbeiterinnen anzulocken oder ihnen die Karriere zu erleichtern. Facebook und Apple bezahlen das Einfrieren von Eizellen. IBM übernimmt den Transport abgepumpter Muttermilch zum Baby, wenn die Mutter dienstlich unterwegs ist. Doch das alles kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Silicon Valley nach wie vor eine Domäne weißer Männer ist, in der es manche Frauen schwer haben.

Erst kürzlich hatte eine frühere Mitarbeiterin dem Fahrdienst-Vermittler Uber eine Unternehmenskultur voller Sexismus vorgeworfen. In den vergangenen Jahren sorgte auch die Klage von Ellen Pao gegen die Risikokapital-Firma Kleiner Perkins für Aufsehen. Pao konnte die Geschworenen jedoch nicht davon überzeugen, dass sie in ihrer Karriere benachteiligt wurde, weil sie eine Frau ist.

Diskriminierungen und Benachteiligungen seien alltäglich, sagt auch Sabeen Ali, die seit vielen Jahren im Valley arbeitet. "Es ist sehr wichtig für mich, Frauen zu ermutigen und sie in Positionen zu bringen, in denen sie erfolgreich sein können." Es sei keine leichte Aufgabe und der Weg lang. Aber – und auch deshalb sei sie nach Barcelona gekommen – "jeder Wandel beginnt mit einem Gespräch". (anw)