Warum wollen Werkstätten nur noch schwarze Kästen tauschen?

Klartext: Ausbildungsberuf Kästchentauscher

Moderne Autos sind so komplex, dass der KFZ-Mechatroniker häufig auf Anraten seines Laptops schwarze Bausteine tauscht. Mein eher unkomplexer Zoomer zeigt jedoch, dass da etwas mehr im Argen liegt

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Von
  • Clemens Gleich
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Ich habe gelogen. Als ich an dieser Stelle meinen Zoomer betrauerte, begrub ich ihn gar nicht unter einem Buchenkreuz. Die Werkstatt war gar nicht teurer als ein Ersatz-Zoomer, den es abgesehen davon gar nicht so einfach gab. Zu meiner Verteidigung: Ich wusste all das noch nicht, als ich ihn schon totschrieb. Ich hob ihn jedoch auf, weil nagende Zweifel am Urteil der Werkstatt blieben. Diese Zweifel stellten sich als gerechtfertigt heraus. Denn was ich mit meinem aufgehobenen Zoomer feststellte, war: Die typische Werkstatt dieser Tage will eigentlich nur noch Puzzlestücke an deinem Fahrzeug tauschen. Mit traditioneller Arbeit an einem so einfachen Objekt wie dem Zoomer brauchst du da nicht kommen.

Schwarze Kästchen

Das moderne Kraftfahrzeug ist ein sehr komplexes Gerät. Das wissen wir alle aus teilweise leidvoller Erfahrung. Daher wundert es uns auch kaum, wenn der Freundliche bei einer Reparatur dann vor eben dieser Komplexität kapituliert. Die Hersteller schöpfen immer mehr Wert aus Software, die auf kleinen schwarzen Kästchen in einem der Autonetzwerke läuft. Der Freundliche geht folglich immer mehr dazu über, einfach diese schwarzen Kästchen zu tauschen, wenn es ein Problem gibt. Doch so verständlich diese Entwicklung sein mag: Kunden werden damit derart übers Ohr gehauen, dass sie, wenn sie es einmal mitbekommen haben, sofort zu einem echten Mechatroniker gehen statt zum typischen „Ich-tausch-schwarze-Kästchen-bis-es-wieder-fährt“-Anbieter. Vielleicht sollte die IHK demnächst beides als Ausbildungsberuf anbieten. Dann wüsste der Kunde gleich, woran er ist.

Seit einem Jahr steht der Honda Zoomer nun unrepariert in der Tiefgarage, in der ich nicht selber schrauben möchte, wenn es sich irgend vermeiden lässt. Im feuchten Keller mit blockiertem Lichtschalter, ne. Das war schon mit 18 bestenfalls erträglich. Der Leidensweg des Rollers begann, als ich ihn zwecks Service und neues CVT zum mir nächsten Rollerladen fuhr. Auf dem Weg dahin ging der Motor aus und es ölte aus dem Getriebekasten. Bei so einem Schaden lasse ich zumindest den Motor erst einmal aus, um weitere Schäden zu vermeiden. Ich schob ihn die letzten paar hundert Meter, machte mit dem sehr freundlichen Freundlichen aus, er möge mit mir telefonieren, wenn er den Motor geöffnet hätte, und latschte nach Hause.

Preisverdoppelung als Hilferuf

Wir telefonierten. Er sagte, das werde mindestens 600 Euro kosten. „Machen!“, sagte ich. Ein paar Tage später telefonierten wir wieder. Er wollte es doch nicht machen für 600 Euro. Es sei eher das Doppelte. „Hm“, sagte ich und überlegte einige Zeit. „Trotzdem machen. Ich kann den Eimer für 1200 nicht ersetzen.“ Das hatte er wahrscheinlich nicht erwartet, denn nach einem weiteren Tag Mut anschlafen rief er wieder an uns sagte die Wahrheit: Er WOLLTE es einfach nicht machen. Er traute es sich nicht zu. Seine Preisverdoppelung war also eher ein Hilferuf als ein Angebot.