VW will Staus mit Quantencomputern verhindern

Verkehrsstaus lassen sich mit aktueller Computertechnik nur schwer simulieren. Quanten-IT könnte helfen.

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Von
  • Marco Lehner

Viele Staus entstehen ohne erkennbaren Grund. Auslöser kann ein einzelner Autofahrer sein, der zu stark abbremst. Die darauffolgenden Fahrer bremsen ebenfalls ab und setzen so eine Kettenreaktion in Gang, die zum Stau führt. Dieser Effekt lässt sich zwar simulieren, aber nicht in Echtzeit, denn die Daten sind zu komplex. Ein Quantencomputer könnte diese Aufgabe in Millisekunden berechnen. VW kooperiert deshalb mit dem Hersteller von Quantencomputern D-Wave.

Das Ziel der Kooperation ist es, sich abzeichnende Staus so weit im Voraus zu erkennen, dass Autofahrer Alternativen nutzen können – und sich der Stau gar nicht erst bildet. Zeichnet sich also ein Stau ab, berechnet das Programm für die Verkehrsteilnehmer neue Routen.

VW demonstrierte seinen Algorithmus auf der Cebit anhand von Daten aus Taxifahrten aus Peking. Er sollte die kürzeste Strecke zwischen Stadtzentrum und Flughafen, abhängig von der Verkehrssituation berechnen. VW benutzte als Datengrundlage allerdings keine Live-Daten, sondern griff auf Daten aus einer öffentlichen Datenbank zu.

Um diese Berechnung durchzuführen, nutzt Volkswagen den Onlinezugang zum Quantencomputer von D-Wave. "Ein herkömmlicher Computer, etwa ein leistungsfähiges Notebook, hätte nach 45 Minuten noch immer nicht die optimale Lösung gefunden", betont Florian Neukert, Principal Data Scientist im Code Lab der Volkswagen Konzern-IT in San Francisco, gegenüber Technology Review. "Der Quantencomputer braucht dafür nur wenige Millisekunden. Die Übertragung der Daten über das Netz dauert länger".

Es handelt sich beim verwendeten Modell um einen "adiabatischen Quantencomputer". Dieser Typ ist nur für Optimierungsaufgaben geeignet, wie der, die VW präsentiert hat. VW verwendet für seine Berechnungen den 1000Q. Er ist das Vorgängermodell des im Januar vorgestellten 2000Q, der mit 2000 Qbits rechnet.

Nach dem Testprojekt in Peking will Volkswagen die Methode auch in Barcelona anwenden. Im nächsten halben Jahr soll es nach Aussage von Martin Hofmann, CIO des Volkswagen-Konzerns, soweit sein. Dort könnten beispielsweise vernetzte Straßenlaternen die nötigen Informationen über Verkehrsbewegungen sammeln. "Für die Zukunft ist zudem eine Smartphone-App angedacht, um Bewegungsdaten der Verkehrsteilnehmer einzuspeisen", berichtet Hofmann. "Das geschieht anonymisiert, wir haben kein Interesse an den persönlichen Daten der Nutzer".

Funktioniert die Technologie wie angekündigt, hat sie jedoch ein immanentes Problem: Weil zum Zeitpunkt der Prognose kein Stau zu sehen ist, wird es schwer, Autofahrer von einer Alternativ-Route zu überzeugen. "Ihr wirkliches Potenzial wird die Technologie daher wohl erst bei komplett autonom fahrenden Autos entfalten", so Neukert. Denn dann legt das Auto selbst die beste Route zum Ziel fest. (bsc)