Zinssenkung peitscht Kurse in den Himmel

Wieder nur ein Strohfeuer oder die langfristige Wende zum Besseren? Darüber reden sich im Moment Börsianer rund um den Erdball die Köpfe heiss.

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Von
  • Michael Kurzidim

Wieder macht die US-Notenbank Nägel mit Köpfen und senkt die Leitzinsen um einen halben Prozentpunkt – das vierte Mal in diesem Jahr. Geld wird dadurch billiger, und auch der eher symbolische Diskontsatz wurde von 4,5 auf vier Prozent reduziert. Die Börsen der Welt reagierten, nicht ganz unerwartet, mit einem wahren Kursfeuerwerk.

Der Dow Jones stieg bis jetzt um 430 Zähler auf nunmehr 10646 Punkte. Pikanterweise hatte der Dow bereits vor der Leitzinssenkung um rund 130 Punkte zugelegt – als ob die Börsianer es geahnt hätten. Oder war vielleicht doch im Vorfeld schon etwas von den Absichten der US-amerikanischen Notenbank durchgesickert?

Wasser auf die Mühlen der Bullen im Technologie-Lager goss auch Intel. Umsatz und Gewinn im ersten Quartal dieses Jahres fielen zwar schlecht aus, aber doch weniger schlimm als erwartet. Der Chipgigant musste mit einem Quartalsgewinn von 1,1 Milliarden US-Dollar (16 Cents pro Aktie) ein Minus von 64 Prozent gegenüber dem Vorjahr einstecken. Erwartet hatten die Börsianer aber einen Gewinn von nur 15 Cents pro Aktie. Die Logik der Börse: So werden aus Katastrophen doch wieder gute Nachrichten. Folgerichtig schoss das Intel-Papier vor der Zinssenkung in die Höhe und legte im Laufe des Tages auf plus 17 Prozent zu.

AOL Time Warner heizte die Euphorie weiter an: Der Medienkonzern übertraf mit seinen Quartalszahlen die Erwartungen der Anleger um drei Cents umd berichtete insbesondere von steigenden Abonnentenzahlen im Internetbereich. Technologiewerte griffen die gute Nachricht auf wie Bienen den Honig. Konsequenz: Die amerikanische Tech-Börse Nasdaq katapultierte sich um 9,3 Prozent auf über 2100 Zähler. Und auch die europäischen Börsen standen ihren Vorbildern auf der anderen Seite des Atlantik in Nichts nach. Der Nemax stieg um über 10,7 Prozent auf 1655 Punkte, und auch der DAX konnte viel an Boden wieder gut machen und pendelt sich zur Zeit bei 6165 Zählern ein.

Ist damit das Tal der Tränen durchschritten?, fragen sich Analysten, Kleinanleger und Profis. Horst Köhler, Chef des Internationbalen Währungsfonds (IWF) glaubt, dass die Börsenabschwächung den Boden erreicht habe oder ihm sehr nahe sei. Er gehe nicht davon aus, dass der Abschwung in den USA in eine tiefe Rezession münden werde, erklärte Köhler gegenüber dem Wirtschaftsmagazin Capital. Andere Experten sind sich da nicht so sicher. "Wir sprechen über einen Boden, der schon noch die ein oder andere Falltür enthalten könnte", spekuliert Steve Barrow, Analyst bei Bear Stearns European, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. An einem Tag wie diesem geben sich die Firmen zuversichtlich. "Von einem makroökonomischen Standpunkt aus aber ist es schwierig, optimistisch zu sein", warnt Barrow.

Ein Strohfeuer oder die ersehnte konjunkturelle Wende zum Besseren, darüber reden sich im Moment Experten aller Nationalitäten die Köpfe heiss. Für die Börsen aber war zumindest heute die Sache klar:: Selbst Cisco, gestern noch mit Katastrophenmeldungen in den Schlagzeilen, konnte am Ende des heutigen Tages über 14 Prozent auf der Plusseite verbuchen. Dabei erwartet der Noch-Marktführer in Sachen Internet-Routern für das dritte Quartal des laufenden Geschäftsjahres einen Umsatzrückgang von rund 30 Prozent gegenüber den vorausgegangenen drei Monaten und will in naher Zukunft 8.500 Mitarbeiter auf die Straße setzen. (ku)