Datenschutz-Monster im Anmarsch

Die EU-Kommission will die geplante deutsche Flatrate fürs Fahren mit einer streckenabhängigen Maut kontern. Eigentlich eine gute Idee – oder?

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Es bleibt spannend beim Thema PKW-Maut: Die EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc will laut Welt im Mai einen eigenen Vorschlag für eine Straßenmaut vorlegen. Bisher war sie vor allem als Gegenspielerin von CSU-Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt in Erscheinung getreten – sie hält dessen Idee einer Autobahnmaut für europarechtswidrig, weil sie nichtdeutsche EU-Bürger benachteiligen würde.

Bulcs Maut-Konzept unterscheidet sich in zwei zentralen Punkten von dem Dobrindts: Erstens soll es europaweit einheitlich gelten, zweitens soll es streckenabhängig gelten. Beides ist zunächst einmal nicht schlecht: Eine europaweite Regelung würde dem kleingeistigen Missgunst ("Warum müssen wir in Österreich Maut zahlen und die Österreicher bei uns nicht?") den Wind aus den Segeln nehmen. Dass es die CSU für angemessen hielt, mit diesem Neidkomplex Wahlkampf zu machen, war ja schließlich der zentrale Antreiber für die deutsche PKW-Maut.

Auch eine Abrechnung pro gefahrenem Kilometer ist eigentlich eine gute Sache. Dobrindts Maut wäre eine Flatrate fürs Fahren – ohne jeden Anreiz, Autofahrten zu vermeiden oder den Zug zu nehmen. Will man Straßenverkehr verlagern oder vermeiden, muss man die laufenden Kosten erhöhen und nicht die fixen. Dobrindt will genau das Gegenteil.

Der springende Punkt ist nur: Wie will Bulc die gefahrenen Strecken erfassen? Die slowenische EU-Kommissarin spricht von einer "elektronischen Maut", die Prepaid oder per monatlicher Rechnung beglichen wird. Also so etwas wie Toll Collect. Wir erinnern uns: 16 Monate verspätete Einführung, bis heute andauernder Streit über die Kosten von sage und schreibe sieben Milliarden Euro. So viel würde Dobrindts PKW-Maut selbst im optimistischen Fall erst in weit über zehn Jahren einspielen.

Eine elektronische Maut auf EU-Ebene wäre ein technologisches Ungetüm und genauso wie Dobrindts Konzept ein Datenschutz-Monster. Schließlich würden praktisch alle Fahrten aller EU-Bürger auf irgendeine Weise erfasst. Wer glaubt, diese Daten könnten dauerhaft sicher in irgendwelchen abgeschotteten Silos gespeichert werden, hat die Rechnung ohne Hacker gemacht – und ohne die Law-and-Order-Politiker. Schon jetzt fordern Innenpolitiker der CDU den Zugriff auf die Daten der PKW-Maut.

Wieviel einfacher wäre es hingegen, die Maut einfach auf die Kraftstoffpreise umzulegen – und im Gegenzug, wenn’s denn sein muss, die KFZ-Steuer zu senken? Das wäre erstens anonym, zweitens einfach und würde drittens einen Anreiz geben, weniger zu fahren oder sich einen sparsameren Wagen anzuschaffen. Das ewige Gegenargument des Tanktourismus fand ich noch nie sonderlich überzeugend: Wer quer durch Deutschland fährt, wird früher oder später auch tanken müssen. Und wenn Bulc jetzt ohnehin an einer europaweiten Lösung arbeitet, wäre auch dies kein Thema mehr. Eine EU-weite einheitliche Abgabe für Infrastruktur, CO2-Emissionen und Gesundheitsschäden für jeden Liter Sprit ließe sich ohne jeden technischen Aufwand umsetzen. Man muss es nur wollen. (grh)