Cyberschläge: Bundesregierung prüft "Hack-Back-Strategie" mit "digitalem Rettungsschuss"

Eine wehrhafte Demokratie müsse sich vergewissern, dass Cyberangriffe aus dem Ausland gegebenenfalls mit vergleichbaren Mitteln beantwortet werden können, heißt es aus dem Bundesinnenministerium.

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Cyberschläge: Bundesregierung prüft "Hack-Back-Strategie" mit "digitalem Rettungsschuss"

Bundesinnenministerium in Berlin

(Bild: bmi.bund.de / Stefan Müller)

Lesezeit: 4 Min.

Die Bundesregierung erwägt, staatliche Hacker bei Cyberattacken auf eigene Server zurückschlagen zu lassen. "Erforderlich sind nationale und internationale Regeln, die neben Schutz und Abwehr die Rückverfolgung eines Angriffs aus dem Ausland und gegebenenfalls das Unschädlichmachen eines Servers im Ausland ermöglichen", erklärte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums gegenüber heise online. Es sei wichtig, "dass sich ein demokratischer Staat als wehrhafte Demokratie vergewissert", dass derartige Attacken übers Internet "gegebenenfalls auch mit Wirkung auf Server im Ausland unterbleiben".

Das Innenministerium und andere Regierungsstellen prüfen nach Angaben des Sprechers gerade, ob eine solche "Hack-Back-Strategie" tatsächlich nötig ist, auf welcher Rechtsgrundlage sie aufgezogen werden könnte und welche technischen Fähigkeiten dafür erforderlich sind. Wichtige Entscheidungen dazu sollen nach der kommenden Bundestagswahl getroffen werden.

Ähnlich hatte sich vor zwei Wochen in der Fernsehsendung "Bericht aus Berlin" Bundesinnenminister Thomas de Maizière geäußert und einen Vergleich gezogen zu bestehenden Möglichkeiten zur Gefahrenabwehr in der analogen Welt. Der CDU-Politiker hatte darauf verwiesen, dass etwa ein Polizist im Einsatz nicht nur eine Schutzweste trage, sondern auch eine Pistole.

Das Beispiel lässt sich aber nur sehr bedingt auf das Internet übertragen. So erkennt ein Ordnungshüter vor Ort in der Regel zumindest recht schnell, mit welchem Angreifer er es zu tun und welches Waffenarsenal dieser zur Verfügung hat. Im Netz sind Attacken dagegen gut zu verschleiern, es ist nur sehr schwer und manchmal gar nicht möglich, sie einer konkreten Person oder Hackergruppe zuzuschreiben, geschweige denn einer dahinterstehenden staatlichen Macht.

Angesichts dieser Unsicherheiten ist auch völlig offen, ob überhaupt die Polizei zurückschlagen sollte oder eher die geplante Cyberstreitkraft der Bundeswehr oder etwa Experten des Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) oder des Bundesnachrichtendienst (BND). Wer selbst als staatlicher Hacker erfolgreich sein will, braucht zudem in der Regel Wissen über bislang unbekannte Sicherheitslücken in Form von Zero Days, was den Handel mit solchen besonders gefährlichen Exploits anfeuern und die IT-Security insgesamt weiter unterwandern würde. Die Regierung sucht zudem bereits jetzt händeringend nach IT-Spezialisten für Sonderaufgaben wie das Knacken von Verschlüsselung.

Trotz dieser generellen Schwierigkeiten mit Cyber-Gegenschlägen hat der geheim tagende Bundessicherheitsrat unter Vorsitz von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Ende März nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR eine Machbarkeitsstudie für eine Hack-Back-Strategie in Auftrag gegeben. Ergebnisse sollen bis zum Sommer vorliegen.

In Regierungskreisen ist laut dem Bericht in bester Science-Fiction-Manier schon von einem "digitalen finalen Rettungsschuss" die Rede. Dieser könnte etwa bei Angriffen auf kritische Infrastrukturen wie Stromnetze oder einem Versuch für einen weiteren Bundestagshack abgefeuert werden. In Berlin gebe es die Hoffnung, so auch Server quasi abschießen zu können, auf denen gestohlene Daten lagern.

In Europa hat unter anderem die britische Regierung bereits eine bis 2021 reichende Cybersicherheits-Strategie verabschiedet. Dabei setzt sie neben Verteidigung auch klar auf Abschreckung. Schatzkanzler Philip Hammond betonte im November: Es müsse jedem klar sein, dass die Nation "sich im Cyberspace verteidigen und gegen die zurückschlagen wird, die unserem Land schaden wollen". Die Bundesregierung hat derweil unter anderem bereits beschlossen, das Cyberabwehrzentrum auszubauen und das BSI zu verstärken. Neue EU-Vorgaben zur IT-Sicherheit sollen gerade umgesetzt und mit Deep Packet Inspection (DPI) sowie Netzsperren aufgebohrt werden. (anw)