Hate Speech & Co.: EU-Kommission erwägt strengere Gesetze gegen illegale Online-Inhalte

Die EU-Kommission prüft noch bis Mai, ob sich US-Internetkonzerne an den vereinbarten Kodex zum Löschen von Hasskommentaren halten und wie die Netzwirtschaft generell mit rechtswidrigen Inhalten umgeht. Neuer Regulierungsbedarf zeichnet sich ab.

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Hate Speech
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Im Mai laufen zwei wichtige Evaluierungen der EU-Kommission aus, deren Ergebnisse zu schärferen Auflagen für die Internetwirtschaft führen könnten. Bis Ende nächsten Monats prüfe die Brüsseler Regierungsinstitution zum einen, inwieweit sich Facebook, Twitter, YouTube und Microsoft an den im vorigen Jahr vereinbarten Verhaltenskodex zum Löschen von Hassbotschaften halten, erklärte Renate Nikolay, die Kabinettschefin von Justizkommissarin Vera Jourova, Ende der Woche in Berlin. Zum anderen wolle die Kommission im Mai die Ergebnisse der Evaluation vorlegen, was bei den bislang
gestarteten Initiativen für den geplanten digitalen Binnenmarkt noch fehle. Ein Schwerpunkt dabei ist der Umgang mit illegalen Online-Inhalten.

Im Bereich "Hate Speech" habe die Kommission zunächst der Selbstregulierung Vorrang gegeben, erinnerte Nikolay an die Absprache vom Mai vorigen Jahres. Die beteiligten US-Konzerne hätten zugesichert, "strafrechtsbewehrte Äußerungen" binnen 24 Stunden aus ihren Foren zu entfernen. "Die Plattformen sind kein rechtsfreier Raum", unterstrich die Juristin, verbotene Inhalte müssten daher sowieso baldmöglichst gelöscht werden.

Bundesjustizminister Heiko Maas sei bei der in Brüssel ausgehandelten Selbstkontrollmaßnahme anfangs "an Bord" gewesen, berichtete Nikolay. Jetzt sei der SPD-Politiker aber im Alleingang mit einem Entwurf für ein Netzwerkdurchsetzungsgesetz vorgeprescht, gegen das sich zunehmender Protest von Bürgerrechtlern, Rechtswissenschaftlern, Medienverbänden sowie Zusammenschlüssen von Internetfirmen regt. Die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) kritisiert dabei auch, dass die Basis für die hiesige Evaluierung der Zusagen der Betreiber sozialer Netzwerke durch die Bund-Länder-Stelle Jugendschutz.net viel zu dünn gewesen sei.

Nikolay wollte den Resultaten der Brüsseler Auswertung nicht vorgreifen, unterstrich aber: Wenn es den Beteiligten nicht gelinge, die Übereinkunft einzuhalten, "wird es Regelungsbedarf geben". Die Kommission wolle die Ergebnisse dazu zunächst im Juni mit den Justizministerin der Mitgliedsstaaten weiter diskutieren.

Jourova übt seit Längerem Druck auf die großen Plattformbetreiber aus, insbesondere Hasskommentare rasch zu löschen. Bürgerrechtsorganisationen wie die Initiative European Digital Rights (EDRi) wittern in derlei Vorhaben Zensur durch Private und sehen das Problem ungelöst, dass die beteiligten Firmen Richterfunktionen übernehmen sollten. Derlei Kritik an einem geplanten "Orwell-System" wies die Justizkommissarin im Herbst zurück.

Für den Zwischenstandsbericht zum digitalen Binnenmarkt liegt der Nachrichtenagentur Reuters nach eigenen Angaben derweil bereits ein Entwurf vor. Die Kommission beklagt demnach, dass es "sehr unterschiedliche Ansätze" gebe, wie die EU-Länder mit illegalen Inhalten wie Terrorismuspropaganda, Hate Speech, Material zu sexuellem Kindesmissbrauch oder Verstößen von Immaterialgüterrechten wie dem Copyright umgingen. Derlei Abweichungen könnten in einigen Fällen gerechtfertigt sein, verringerten in anderen aber "die Effektivität des Systems".

Die Brüsseler Exekutivinstitution liebäugelt dem Bericht nach damit, bis Ende des Jahres mit teils gesetzgeberischen Instrumenten die "rechtliche Zersplitterung" und die damit einhergehenden Unsicherheiten rund um das Entfernen illegaler Inhalte durch Online-Plattformen anzugehen. Das EU-Parlament verabschiedete allerdings erst im Februar eine Richtlinie zur Terrorbekämpfung, wonach Mitgliedsstaaten selbst nicht gerichtlich angeordnete Websperren gegen einschlägige Propaganda ins Spiel bringen können. Ein einschlägiges Gesetz gegen Kinderpornografie besteht seit 2011, an einer Urheberrechtsreform stricken die EU-Gremien gerade. (uma)