"Wir sollten vorbereitet sein"

Werden intelligente Maschinen massenhaft Arbeitsplätze vernichten? Eine neue Studie mit Daten aus der Vergangenheit spricht dafür, insgesamt aber bleibt die Zukunft der Arbeit ungewiss.

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Von
  • Sascha Mattke
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Wollen Sie wetten? Auf der Plattform longbets.com prognostiziert Robert D. Atkinson, Gründer des Thinktanks Information Technology and Innovation Foundation, im Jahr 2025 würden immer noch mehr als 60 Prozent der US-Bevölkerung zu den Erwerbstätigen zählen (die so genannte Beschäftigungsquote) und weniger als 7,5 Prozent von ihnen arbeitslos sein. Jeder, der möchte, kann mit einem Mindesteinsatz von 200 Dollar dagegenhalten, noch aber hat sich niemand dafür gefunden.

Das könnte damit zusammenhängen, dass Atkinson mit seiner Meinung klar in der Minderheit ist – weithin gehen Beobachter und Wissenschaftler davon aus, dass Robotertechnik, ergänzt durch Fortschritte bei Künstlicher Intelligenz, zunehmend auf Kosten von menschlichen Arbeitskräften gehen wird. Und auch eine neue Studie spricht gegen die optimistische Erwartung von Atkinson: In der Zeit von 1993 und 2007 hat demnach jeder zusätzliche Industrieroboter in den USA bis zu 6,2 menschliche Arbeitskräfte ersetzt.

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Die Autoren der Studie sind die Ökonomen Daron Acemoglu vom MIT und Pascual Restrepo von der Boston University, die als führende Experten für die Auswirkungen der Automatisierung gelten und bislang per Saldo eher eine positive Entwicklung erwartet hatten. Ähnlich wie Atkinson argumentierten sie, dass höherwertige neue Stellen für Menschen entstehen würden, wenn Industrie-Jobs von Robotern übernommen werden. In ihrer neuen Untersuchung aber arbeiten sie mit empirischen Daten aus der Vergangenheit, und die Ergebnisse zeigen eher in die gegenteilige Richtung.

Ausgangspunkt dafür war die Tatsache, dass in ihren Augen zwar wenig Zweifel an Prognosen bestehen, laut denen heute von Menschen verrichtete Tätigkeiten zunehmend von Maschinen erledigt werden können. Offen bleibt dabei aber die Frage, ob Unternehmen von den neuen Möglichkeiten auch tatsächlich Gebrauch machen werden – dafür kommt es nicht nur auf die reine Verfügbarkeit an, sondern auch auf die Kosten. Ebenso wenig berücksichtigt werden häufig die Produktivitätsfortschritte durch Automatisierung, die zu niedrigeren Preisen (also mehr Kaufkraft bei gleichem Einkommen) und mehr Arbeitsplatz-Nachfrage in anderen Branchen führen können.

Also haben sich Acemoglu und Restrepo daran gemacht, die gegenläufigen Effekte bei der Beschäftigung zu quantifizieren, um zu einem Netto-Ergebnis zu kommen. Ebenso rechnen die beiden Forscher andere Entwicklungen heraus, beispielsweise Outsourcing ins Ausland, Investitionen in IT und Importe aus China, die im Beobachtungszeitraum sämtlich zugenommen haben und ebenfalls Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben.

Zunächst unterteilten die Forscher die USA in 722 "Pendler-Zonen", also relativ abgeschlossene lokale Arbeitsmärkte, mit unterschiedlichen Zusammensetzungen bei Bevölkerung und ansässigen Branchen. Anhand der Branchen errechneten sie die Zunahme der Zahl der Roboter in jeder dieser Zonen und setzten sie ins Verhältnis zur Entwicklung bei Beschäftigung und Löhnen. Bei dieser isolierten Betrachtung zeigte sich: Im Durchschnitt führte jeder neue Roboter zu einer um 0,37 Prozentpunkte niedrigeren Beschäftigungsquote und um 0,73 Prozent niedrigeren Löhnen.

In einem aufwändigeren Modell führten Acemoglu und Restrepo dann zusätzlich Handel zwischen den einzelnen Zonen ein, um auch die möglichen positiven Auswirkungen auf andere Branchen und Regionen zu berücksichtigen. Doch auch hier ergaben sich per Saldo negative Folgen der Roboterisierung auf den Arbeitsmarkt: Die Beschäftigungsquote fiel pro Extra-Roboter um 0,18 Prozentpunkte niedriger aus, die Löhne sanken um 0,25 Prozent. Diese Schätzung bezeichnen die Forscher als ihre konservativste.

Für die Vergangenheit lässt sich also recht eindeutig belegen, dass mehr Roboter insgesamt auf Kosten von menschlichen Arbeitskräften gehen. Auf kürzere Sicht könnte sich Acemoglu, wie er der New York Times sagte, durchaus vorstellen, dass die erhofften positiven Beschäftigungseffekte durch höhere Produktivität erst noch kommen – weil es eine Zeitlang dauert, bis in ihrem alten Job nicht mehr gebrauchte Arbeitnehmer neue Qualifikationen erwerben und eventuell zum Umziehen bereit sind.

Wie aber sieht es mit der ferneren Zukunft aus? Lässt sich angesichts der neuen Erkenntnisse genauer abschätzen, ob künstlich intelligente Maschinen zu massenhafter Arbeitslosigkeit führen werden, wie viele befürchten? Acemoglu verweist darauf, dass Investitionen in IT-Hardware und -Software anders als Roboter bislang keine erheblichen Folgen am Arbeitsmarkt hatten, was eher gegen dieses pessimistischere Szenario spricht. Auf der anderen Seite habe Künstliche Intelligenz reichlich Potenzial für größere Verwerfungen – "wir sollten also vorbereitet sein".

(sma)