Welttag des geistigen Eigentums: Von Patent-Trollen, nichtigen Patenten und europäischer Patent-Qualität

Seit 2000 wird auf Anregung der UNESCO alljährlich am 26. April der "Welttag des Geistigen Eigentum" begangen. Anlass für einen kurzen Rückblick auf die Ereignisse rund um Patente im vergangenen Jahr.

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Patent-Streit

(Bild: c't)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Christian Kirsch
Inhaltsverzeichnis

Geistiges Eigentum ist schon lange zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor geworden: Urheberrechte, Patente und Warenzeichen erzielen Milliardenumsätze und führen immer wieder zu Prozessen. Während es in den vergangenen Jahren vor allem im Mobilfunkbereich viel Streit um Patente gab, ist es in letzter Zeit dort zwar ruhiger geworden. Vor allem in Parlamenten und Institutionen geht die Entwicklung jedoch weiter.

Weitgehend unbemerkt fällte das Bundespatentgericht (BPatG) bereits Ende 2014 eine wichtige Entscheidung: Die Richter erklärten das Europäische Patent 1186189 "mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig". Mit dem Schutzrecht hatte der deutsche Patentverwerter IPCom unter anderem Nokia und HTC vor Gericht zu Schadenersatzzahlungen zwingen wollen. Der Beschluss des BPatG dürfte dem Geschäftsmodell der Firma einen schweren Schlag zugefügt haben.

Wie viele andere Mobilfunk-Patente galt auch dieses als "standardessenziell", das heißt als unverzichtbar für eine bestimmte Technologie. In der Regel verpflichten sich die Eigentümer solcher standardessenziellen Patente (SEP), sie zu fairen, vernünftigen und nicht-diskriminierenden Bedingungen (FRAND) zu lizenzieren. Diese Begriffe sind jedoch bislang mit wenig Inhalt gefüllt. Außerdem handelt es sich bei einer FRAND-Erklärung nur um eine Willensbekundung gegenüber einem Standardisierungsgremium, die in einem Rechtsstreit zwischen zwei Firmen kaum durchsetzbar ist.

Die Rolle von SEP hat auch die Europäische Union bemerkt. Eine Anfang 2017 veröffentlichte Studie (PDF) untersucht die juristischen und wirtschaftlichen Fragen rund um diese Patente und schlägt vor, dass die EU-Gesetzgebung FRAND-Konditionen genauer definiert. Politiker sollten sich darauf konzentrieren, jene Verhaltensweisen und Lizenzkosten zu benennen, die klar gegen die FRAND-Prinzipien verstoßen. Keinesfalls sollten sie jedoch versuchen, die Höhe der Lizenzgebühren festzulegen – das solle den Beteiligten überlassen bleiben. Im Vordergrund müsse demzufolge stehen, dass sich Eigentümer und Nutzer von SEP frühzeitig zu ernsthaften Verhandlungen zusammensetzen.

Patentverwerter, häufig auch Patenttrolle genannt, sind ebenfalls in den Blick Brüssels geraten. Ende 2016 erschien eine Untersuchung zu deren Rolle in Europa. Sie fand heraus, dass Patentverwerter in Deutschland besonders aktiv sind, was unter anderem an der hiesigen Zweigleisigkeit ("bifurcation") liege. In einem Verfahren wegen Patentverletzung gehen die deutschen Gerichte prinzipiell von der Gültigkeit des Schutzrechts aus. Ein Beklagter, der das Patent für nichtig erklären lassen will, muss dazu ein weiteres Verfahren anstrengen. Dessen Ende kann unter Umständen nach dem Prozess wegen Patentverletzung liegen. Dadurch kann ein Unternehmen zunächst wegen Verletzung eines Patents verurteilt werden, dass dann später aufgehoben wird. Es gibt zwar Vorkehrungen, um dadurch entstehende Nachteile zu verhindern, doch nach Ansicht der Autoren ermutigt die deutsche Zweigleisigkeit Patentverwerter. Zur Qualität der von Verwertern genutzten Patente liefert die Untersuchung keine endgültigen Erkenntnisse: Viele würden zwar in Prozessen aufgehoben, doch es gebe offenbar auch hochwertige Schutzrechte, die Bestand haben. Die Verfassern plädieren dafür, die Qualität der in Europa erteilten Patente weiterhin hoch zu halten, FRAND-Regelungen klar zu fassen und die Eigentumsverhältnisse bei Patenten transparenter zu machen. Diese Schritte würden Patentverwertern ihre Arbeit erschweren.

Bezüglich der Qualität europäischer Patente haben sich Mitarbeiter des Europäischen Patentamts (EPA) in den letzten Jahren immer wieder besorgt geäußert. Ursache ist die "Produktivitätssteigerung", die EPA-Präsident Benoît Battistelli immer weiter vorantreibt – aus seiner Sicht erfolgreich, da das Amt von Jahr zu Jahr mehr Patente erteilt. Anders sehen das die in der Gewerkschaft SUEPO organisierten Mitarbeiter: Sie kritisieren, der ständig erhöhte Ausstoß gehe zwangsläufig auf Kosten der Qualität, da weniger Zeit für die Prüfung der Patente bleibe. Eine Lösung des Konflikts, in dem es auch um die Arbeitsbedingungen geht, ist nicht in Sicht. Zwar versuchen Abgeordnete der EPA-Vertragsstaaten immer wieder, ihre Regierungen für das Thema zu interessieren. Doch solange die Einnahmen des Amtes sprudeln, haben diese wenig Interesse an Änderungen, da die nationalen Patentämter an den EPA-Gewinnen partizipieren.

2016 fand eine Premiere im deutschen Patentwesen statt: Erstmals verurteilte das Bundespatentgericht im Eilverfahren ein Unternehmen zum Erteilen einer Zwangslizenz auf ein Patent. Das deutsche Patentrecht sieht dieses Mittel vor, wenn es ein öffentliches Interesse an einer solchen Zwangslizenz gibt. In diesem Fall ging es um den patentierten Anti-HIV-Wirkstoff einer japanischen Unternehmens. Der US-Pharmakonzern Merck hatte für die Lizenz zur Nutzung erfolglos 10 Millionen US-Dollar angeboten. Der einzige andere Fall, in dem eine Zwangslizenz angeordnet wurde, soll über 20 Jahre zurückliegen. Endgültig ist die Entscheidung für Merck noch nicht, da dem japanischen Unternehmen noch Rechtsmittel offenstehen. (ck)