Landeskriminalamt NRW setzt auf "vorausschauende Polizeiarbeit"

Kriminalitäts-Prognosen für die Verbrecherjagd: Die Polizei in Nordrhein-Westfalen will mithilfe einer Software Wohnungseinbrüche vorhersagen. Das sogenannte "Predictive Policing" ist aber umstritten.

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Polizei
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  • dpa

Nicht: Wo wurde gerade eingebrochen – sondern: Wo wird als nächstes eingebrochen? Mit dieser Frage beschäftigen sich derzeit sechs Beamte im Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalens in Düsseldorf. Mithilfe einer Software und von Computern versuchen sie zu berechnen, in welcher Gegend mit hoher Wahrscheinlichkeit in nächster Zeit eingebrochen wird. "Predictive Policing" nennt sich die Methode – zu deutsch: vorausschauende Polizeiarbeit. Bundesweit laufen zur Zeit gleich mehrere Pilotversuche mit der neuen Technik zur Verbrechensvermeidung.

Bei der Methode sammelt die Polizei umfangreiche Daten zu bestimmten Wohnvierteln – unter anderem zu früheren Einbrüchen, aber auch zu Autobahn-Anschlüssen oder dazu, ob in einer Gegend mehr Ein- oder Mehrfamilienhäuser stehen. "Alles, was Struktur ausmacht, beziehen wir mit ein", sagt LKA-Abteilungsleiter Joachim Eschemann. Auf Grundlage dieser Daten errechnet ein Computerprogramm dann die Wahrscheinlichkeit, mit der in der folgenden Woche in begrenzten Gebieten von 400 bis 500 Wohnungen ein Einbruch geschieht.

Diese Prognose leitet das LKA an die Polizisten vor Ort weiter, die anschließend in die betroffenen Gebiete fahren. "Es geht darum abzuschrecken", sagt Eschemann. "In erster Linie wollen wir Präsenz zeigen – uniformiert."

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Seit langem steht Predictive Policing aber auch in der Kritik. Vor allem Datenschützer sehen diese neue Art der Polizeiarbeit kritisch. "Ich sehe die Automatisierung polizeilicher Gefahrenabwehr generell skeptisch", sagt der Aktivist und Datenschützer Matthias Monroy. Er befürchtet vor allem, dass in Zukunft auch personenbezogene Daten erfasst und ausgewertet werden könnten.

Die Polizei sieht für derartige Bedenken jedoch keinen Anlass. "Das ist kein personenbezogener Ansatz. Es ist ein tat- und raumbezogener Ansatz", sagt Eschemann. Mit anderen Worten: Die Polizei setzt bei der Verbrechensvorhersage auf Raum- statt auf Manndeckung.

Doch auch vermeintlich harmlose Daten, beispielsweise zur Einkommensverteilung in einem Wohnviertel, können möglicherweise Rückschlüsse auf das Verhalten einzelner Personen zulassen. Die NRW-Datenschutzbeauftragte Helga Block sieht die Methode des Predictive Policing deshalb ebenfalls skeptisch: "Der Einsatz solcher Systeme durch die Polizei ist grundsätzlich geeignet, elementare Grundsätze des Datenschutzes und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung in Frage zu stellen", heißt es in einer Mitteilung ihres Büros.

Eine belastbare Analyse über die Wirksamkeit von Predictive Policing liege bislang allerdings noch nicht vor. Zwar seien die Einbruchszahlen in NRW im vergangenen Jahr zurückgegangen, sagt Eschemann. Allerdings könne man dies nicht mit Sicherheit auf Predictive Policing zurückführen.

Die wissenschaftliche Testphase soll Ende dieses Jahres abgeschlossen sein. Bis Anfang 2018 sollen die Wissenschaftler sagen können, ob die computergestützte Einbruchvorhersage wirksam ist oder nicht. Dann soll sich entscheiden, ob Predictive Policing in Nordrhein-Westfalen tatsächlich eine Zukunft hat. (sha)