Sauber, Diesel?!

Diesel-Umrüstung statt Fahrverboten?

Twintec zeigt mit einem Prototypen, dass mit einem SCR-Katalysator eine Verbesserung von Euro 5 auf Euro 6 machbar ist. Die Teile stammen von Volkswagen, was die Kosten auf 1500 Euro plus Einbau senken soll. Fraglich ist nur, ob die Autoindustrie mitmacht

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Von
  • Christoph M. Schwarzer
Inhaltsverzeichnis

Twintec zeigt mit einem Prototypen, dass mit einem SCR-Katalysator eine Verbesserung von Euro 5 auf Euro 6 machbar ist. Die Teile stammen von Volkswagen, was die Kosten auf 1500 Euro plus Einbau senken soll. Kommunen und Autobesitzer würden profitieren. Fraglich ist nur, ob die Politik die Autobesitzer und die Gesundheit der Bürger schützt – oder doch lieber die Autoindustrie.

Normgerecht - kein Problem

Die über sechs Millionen Halter von Diesel-Pkw mit der Abgasnorm Euro 5 können aufatmen. Theoretisch zumindest: Die Firma Twintec hat einen Volkswagen Passat B7 1.6 TDI mit einem Abgasreinigungssystem nachgerüstet, das die Stickoxidemissionen unter die Grenzwerte der kommenden Norm Euro 6c reduziert. Minus 88 Prozent gegenüber dem Serienzustand im neuen Laborzyklus WLTP. Minus 93 Prozent bei der Straßenmessung RDE.

Damit erfüllt der Prototyp alle Voraussetzungen für die geplante blaue Plakette. Fahrverbote wären kein Thema mehr. Und auch auf den Werterhalt dürfte die Nachrüstung einen eindeutig positiven Einfluss haben. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte ist, dass die aktuelle Gemengelage aus politischem Taktieren und industriellem Einfluss zu einer Blockade dieser sinnvollen Technik führen kann. Sollte der Druck der Straße in Gestalt unzufriedener Autobesitzer nicht laut und radikal genug werden, passiert einfach gar nichts.

BNOx-Generator

Twintec hat bei der Umrüstung auf Komponenten zurückgegriffen, die alle im Volkswagen-Konzern vorhanden sind. Ein Partikelfilter ist im Passat ohnehin eingebaut. Was in manchen Passat-Modellen fehlt, ist der SCR-Katalysator, jenes System, das die Stickoxide durch Einspritzung einer wässrigen Harnstofflösung (Handelsname: AdBlue) in den Abgasstrang unschädlich macht. Der AdBlue-Tank – ohne Abstriche geht es nicht – mit 16 Litern Volumen nimmt die Reserveradmulde ein. Weil Twintec durch den Prototyp die eigene Kompetenz beweisen will, haben die Ingenieure außerdem den konventionellen SCR-Katalysator weiterentwickelt: Die wässrige Harnstofflösung wird nicht direkt eingespritzt, sondern in einem so genannten BNOx-Generator erst zu Ammoniak aufbereitet, das wiederum über einen Mischer der Nachbehandlung zugeführt wird.

Die Vorteile des BNOx-Generators: Die Betriebstemperatur ist schnell erreicht (laut Twintec in ca. 100 Sekunden), die NOx-Minderung ist in fast allen Betriebspunkten möglich, und so steigt die SCR-Wirkung insgesamt deutlich an. Eine Eigenkonstruktion, die ebenfalls auf Teile aus dem Volkswagen-Konzern zurückgreift und einen Fortschritt gegenüber bestehenden SCR-Katalysatoren darstellt. Geht doch. Das gesamte BNOx-System zur Nachrüstung, so heißt es bei Twintec, würde rund 1500 Euro plus Einbau kosten. Womit der Kern der Debatte wieder hervortritt: Wer bezahlt die Zeche, wer bekommt die Quittung?

Die Kommunen müssen handeln, sind aber machtlos

Die finanzielle Konfliktlinie verläuft zwischen den Interessen der Kommunen und Autobesitzer auf der einen Seite sowie der Industrie und deren Vertretern auf der anderen. Alle Beteiligten haben die begründete Sorge, zur Kasse gebeten zu werden.

Die Kommunen geraten durch die Luftqualitätsrichtlinie der EU von 2008 und Gerichtsentscheidungen immer mehr unter Zugzwang. Die Städte aber sind nahezu machtlos. Die angekündigten Fahrverbote sind lediglich Ausdruck der eigenen Hilflosigkeit – wie sonst könnten Stuttgart, Berlin oder das Ruhrgebiet die Stickoxidemissionen von Diesel-Pkw akut in den Griff bekommen?

Nach derzeitiger Einschätzung läuft trotzdem alles auf Fahrverbote hinaus: Um so etwas wie Handlungsfähigkeit zu simulieren, könnte die Aussperrung von Diesel-Autos, die nicht der aktuellen Euro 6-Norm entsprechen, zum einzig vorzeigbaren Instrument der Kommunen werden. Dass die jüngsten Messungen des Umweltbundesamts (durchschnittlich 507 bei erlaubten 80 mg NOx / km) belegen, wie wenig diese Maßnahme verspricht, ist nur ein weiterer Akt in diesem Schauspiel. Unterdessen meldet das ADAC Technikzentrum, dass bestimmte Euro 6-Dieselautos sogar mehr Stickoxide ausstoßen als Euro 5-Pkw: Die Privilegierung von neuen Euro 6- gegenüber kaum älteren Euro 5-Autos ist nicht nur emotional, sondern auch aus der wissenschaftlichen Abgasperspektive eine Sauerei.