Re-Enactment

Auf der Mille Miglia 2017

Die Mille Miglia feiert in diesem Jahr 90. Geburtstag und den 40. Jahrestag ihrer Wiederauferstehung im Jahre 1977. Jedes Jahr im Mai – quasi in Form eines Re-Enactments mit etwas stumpferen Waffen – wird sie heute als Gleichmäßigkeitsfahrt ausgerichtet. Es kamen 450 Teilnehmer

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Klassiker 27 Bilder
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Von
  • Stefan Grundhoff

Die Mille Miglia feiert in diesem Jahr 90. Geburtstag und den 40. Jahrestag ihrer Wiederauferstehung im Jahre 1977. Jedes Jahr im Mai wird sie heute als Gleichmäßigkeitsfahrt ausgerichtet. Auf der Mille Miglia geht es längst dabei nicht mehr darum, die knapp 1700 Kilometer zwischen dem norditalienischen Brescia und der Hauptstadt Rom in Höchstgeschwindigkeit zurückzulegen. Die Bestzeit, aufgestellt im Jahre 1955 von Rennlegende Stirling Moss in einem Mercedes 300 SLR, ließe sich im normalen Alltagsverkehr heute sowieso nicht mehr in weniger als elf Stunden fahren. Die Durchschnittsgeschwindigkeit lag seinerzeit bei atemberaubenden 157 km/h.

Nach ihrem Ende im Jahre 1957, ausgelöst durch einen tragischen Unfall mit elf Toten, wurde die Mille Miglia 1977 in ruhigerer Form neu interpretiert. Heute wird sie jedes Jahr Mitte Mai – quasi in Form eines Re-Enactments des historischen Ereignisses mit stumpferen Waffen – als Gleichmäßigkeitsfahrt ausgerichtet. In rund 120 einzelnen Schlauchprüfungen geht es um Hundertstelsekunden bei der Geschwindigkeitseinschätzung im Radlertempo. Schnell und scharf gefahren wird trotzem noch, doch für die meisten der mittlerweile 450 Teilnehmer ist die sonntägliche Zieleinfahrt in Brescia der eigentliche Sieg.

Viele Fahrzeuge stehen versteckt in Privatsammlungen

Auch wenn die Kritik in der italienischen Öffentlichkeit wächst, der Tross der Begleitfahrzeuge für zunehmendes Ärgernis sorgt und die mitrasenden Fans immer wieder gefährliche Situationen heraufbeschwören – die Mille Miglia muss man einmal erlebt haben. „Die Mille Miglia ist natürlich ein Mythos”, so der Schweizer Adrian Gattiker der mit einem Mercedes 300 SL bereits zum dritten Mal teilnahm, „dieser Mythos wird Realität, wenn man dann die Mille Miglia fährt. Es ist einfach einzigartig.”

An den Straßen jubeln hunderttausende begeisterte Zuschauer, die Fahrzeuge zu sehen bekommen, die sonst in Privatsammlungen versteckt stehen. Zugelassen sind bei der Mille Miglia jene Fahrzeuge, die in den Veranstaltungsjahren des ursprünglichen Rennens von 1927 bis 1957 gebaut wurden. Wo bekommt man sonst in freier Wildbahn automobile Legenden wie Alfa Romeo 6C, Mercedes 300 SL, Jaguar XK 120, Porsche 356 oder spektakuläre Vorkriegsmodelle wie die BMW 328, Mercedes SSK, Amilcar GCSS oder die einzigartigen O.M. Modelle zu sehen? In den frühen Vorkriegsmodellen ist das 1700-Kilometer-Rennen eine echte Herausforderung für Mensch und Maschine.

Die Zeiten, in denen die Mille Miglia im Land der unbegrenzten automobilen Möglichkeiten einen Freibrief hatte, sind jedoch vorbei. Das ehemals dreitägige Oldtimerrennen quer durch die nördliche Hälfte des italienischen Stiefels bekommt unbeachtet des weltweiten Legendenstatus regional bisweilen Gegenwind. Bürgermeister sagen zunehmend „nein” zur Mille, während andere die zunehmende Kommerzialisierung kritisieren. Mittlerweile dauert die Rundfahrt vier Tage und statt ehemals 375 Fahrzeuge donnern rund 450 Klassiker mit Tross durch Italien.

Die halsbrecherischen Vollgasorgien im offiziellen Straßenverkehr treten immer mehr in den Hintergrund, auch, weil Verstöße bisweilen mit üppigen Geldbußen geahndet werden. Doch der zunehmenden Kritik auf der einen Seite steht die einzigartige Begeisterung der italienischen Autofans auf der anderen Seite gegenüber. Wer die Mille Miglia einmal hinter dem Steuer eines dieser grandiosen Klassiker erlebt, am Wegesrand Fähnchen geschwenkt oder hunderte Hände begeisterter Fans abgeklatscht hat, der kann die nach wie vor vorhandene Begeisterung der Beteiligten verstehen.

Das Siegerfahrzeug von 1927 macht Platz drei

Neben den zahllosen kleinen Siegern, die die Zielrampe in Brescia erreichen, gibt es auch einen offiziellen Sieger. Das ist in diesem Jahr die italienische Paarung Andrea Vesco / Andrea Guerini mit der Startnummer 74 auf einem Alfa Romeo 6C 1750 Gran Sport aus dem Jahre 1931. Auf den Plätzen zwei und drei landeten Luca Patron / Massimo Casale mit ihrem O.M. 665 Sport Superba 2000, dem Siegerfahrzeug der Mille Miglia vom 27. März 1927, und Giordano Mozzi / Stefania Biacca auf ihrem Alfa Romeo 6C 1500 GS Zagato. (imp)