Polizeipräsident: Bund muss Handy-Überwachung erleichtern

Zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens hat der baden-württembergische Landespolizeipräsident bessere Überwachungsmöglichkeiten von Mobiltelefonen gefordert.

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  • dpa

Zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens hat der baden-württembergische Landespolizeipräsident Erwin Hetger bessere Überwachungsmöglichkeiten von Mobiltelefonen gefordert. Die Netzbetreiber müssten zudem gesetzlich verpflichtet werden, richterlich genehmigte Abhöraktionen von Handy-Anschlüssen kurzfristig auch am Wochenende durch einen Bereitschaftsdienst sicher zu stellen, sagte Hetger in einem dpa-Gespräch. Dazu müsse die Telekommunikations-Überwachungsverordnung auf Bundesebene geändert werden.

Der Landespolizeipräsident wandte sich auch gegen die Kritik des Bundesdatenschutzbeauftragten Joachim Jacob an der gestiegenen Zahl der Telefonüberwachungen. Hetger sagte: "Im Bereich des organisierten Verbrechens nutzen die Täter modernste technische Möglichkeiten, um ihre Taten zu planen und auszuführen. An diese Kriminellen kommen wir nur heran, wenn wir verstärkt die Telekommunikation überwachen." Die gestiegene Zahl der Überwachungen begründete Hetger auch mit der massiven Zunahme von Mobiltelefonen. Zudem habe die Polizei gerade in Baden-Württemberg die Bekämpfung der organisierten Kriminalität erheblich ausgeweitet: "Wir haben die Zahl der zuständigen Dezernate von früher 15 um 12 erhöht und damit fast verdoppelt."

Im Drogenhandel und in der Wirtschaftskriminalität beobachtet die Polizei nach Hetgers Worten eine immer stärkere Abschottung auch innerhalb der Verbrecherorganisationen: "Die Drahtzieher, Hintermänner und Großdealer sind durch konventionelle Ermittlungen kaum mehr zu erreichen." Die Telefonüberwachung sei deshalb, wie auch in den Gesetzen vorgesehen, oft das letzte Mittel.

Nach dem Datenschutzbericht von Jacob nahm die Zahl der Telefon-Abhöraktionen bundesweit zwischen 1995 und 1999 von 4-675 auf 12-651 zu. Zwischen Main und Bodensee wurden 1999 nach Hetgers Angaben 1.565 Telefonanschlüsse überwacht. 1996 waren es nur 788. Die Zunahme betrug von 1998 bis 1999 gut 24 Prozent. "Etwa im gleichen Maß dürfte auch im vergangenen Jahr die Zahl der Überwachungen angestiegen sein", fügte Hetger hinzu. Genaue Angaben könne er erst machen, wenn der Landtag unterrichtet sei. Seitdem sich ein Untersuchungsausschuss 1994 mit der Praxis der Telefonüberwachung im Südwesten befasste, muss das Innenministerium dem Parlament jährlich über die Abhörmaßnahmen berichten.

Hetger sprach sich auch dafür aus, dass die Mobilfunknetzbetreiber die Verbindungsdaten von Handyanschlüssen nachträglich schneller als bisher zur Verfügung stellen. Sie seien zwar verpflichtet, diese Daten für Ermittlungszwecke herauszugeben, würden aber bisher häufig auf ihre begrenzten Kapazitäten verweisen. Als Beispiel nannte Hetger den spektakulären Fall des Mordes an einem Stuttgarter Taxifahrer vor wenigen Wochen. Es habe 22 Tage gedauert, bis die Verbindungsdaten des Handys vorlagen, das der Täter dem Opfer vermutlich entwendet hatte. Mit einer schnelleren Information durch den Netzbetreiber wäre die Fahndung nach Ansicht Hetgers wesentlich erleichtert worden.

Das Gleiche gelte auch für die Standortbestimmung von Mobiltelefonen. Vor allem in Ballungsräumen ist es möglich, ein Handy bis auf wenige Meter zu lokalisieren. "Diese Möglichkeit wird verstärkt genutzt, wenn beispielsweise mit internationalem Haftbefehl gesuchte Mafiosi im Land unterwegs sind und wir deren Handy-Nummer kennen", erläuterte Hetger. Auch für diese Fälle müssten die Netzbetreiber verpflichtet werden, die Daten umgehend zur Verfügung zu stellen. (dpa) / (jk)