Autonom über den Ozean

Millionen von Containern könnten innerhalb des kommenden Jahrzehnts von robotischen Schiffen über die Weltmeere bewegt werden.

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Von
  • Jamie Condliffe

Vergessen wir die autonomen Groß-LKWs, an denen der Taxidienst Uber bastelt: Wer einen Roboter einsetzen will, um in Zukunft große Lasten über große Distanzen zu bewegen, wird wohl eher zu einem autonomen Containerschiff greifen.

Gleich mehrere Forschergruppen und Fachunternehmen arbeiteten in den letzten Jahren an kleineren selbstfahrenden Booten, doch auszahlen wird sich etwas wesentlich größeres, meinen Experten. Vollautonome Frachtschiffe könnten schneller, sicherer und letztlich auch billiger laufen als ihre bemannten Vorgänger. Und diese Vorstellung setzt sich mehr und mehr auch bei einigen der größten Containerreedereien durch.

Laut einem Bericht des japanischen Wirtschaftsblattes "Nikkei Asian Review" hat ein Konsortium aus Werften und wichtigen Frachtfirmen in dem Land nun damit begonnen, Technik für Schiffe zu entwickeln, die ihren eigenen Kurs setzen können. Die Vision: Ein Steuersystem mit Künstlicher Intelligenz, das Daten von Sensoren und externen Quellen sammelt – um etwa die Wetterbedingungen und den allgemeinen Schiffsverkehr zu erfassen – und dann die sicherste und effizienteste Route in Echtzeit ermittelt. Hunderte Millionen Dollar sollen in die neue Technik fließen, schon 2025 könnte sie zum Einbau in Schiffe bereit sein.

Unterdessen arbeiten BHP Billiton und Rio Tinto, zwei der größten Bergbauunternehmen der Erde, an Projekten, bei denen autonome Schiffe Millionen Tonnen Eisen- und Kupfererze sowie Kohle rund um den Globus transportieren sollen. Hier könnte es ebenfalls bereits im nächsten Jahrzehnt losgehen. Schätzungen gehen davon aus, dass besatzungslose Schiffe der Branche allein im Eisenmarkt 86 Milliarden Dollar pro Jahr einsparen könnten.

Etwas weniger ambitioniert geht die norwegische Chemiefirma Yara das Thema an. Diese will Probefahrten mit dem weltweit ersten elektrischen Containerschiff mit autonomer Steuerung im kommenden Jahr beginnen – entlang der Landesküste von der Produktionsstätte Porsgrunn zu den Häfen Brevik und Larvik. Anfangs wird das Boot noch eine volle Besatzung haben, ist aber darauf ausgelegt, 2019 ferngesteuert zu operieren. Ab 2020 könnte dann, so die Hoffnung, der vollautonome Betrieb starten.

Dieses und ähnliche Projekte setzen eine Vision um, die der britische Schiffsausrüster Rolls-Royce schon 2016 formuliert hatte. Das Unternehmen sagt eine Zukunft voraus, in der Frachtschiffe die Weltmeere ohne ein einziges Crewmitglied durchpflügen.

Der Zeitplan des Konzerns ist nicht ganz so ambitioniert wie bei anderen Gruppierungen: Bis 2035 soll laut Rolls-Royce das erste Hochsee-fähige Frachtschiff ohne Mannschaft unterwegs sein. Doch wie bei der ersten Welle der führerlosen Autos werden Schiffe neue Funktionen nur schrittweise erhalten, etwa eine wirklich autonome Navigation. Doch für die Schiffsindustrie, so scheint es, können diese Neuerungen nicht früh genug kommen. Klassischen Besatzungen kann das sicherlich nicht gefallen.

(bsc)