Kommentar zur Klimadebatte: Germany First

Angela Merkel gibt gern die Klimakanzlerin. Doch wenn es um die Regulierung der deutschen Industrie geht, kommt auch bei ihr Deutschland zuerst.

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Angela Merkel

Kohle- oder Klimakanzlerin?

(Bild: dpa, Michael Kappeler)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Karsten Schäfer
Inhaltsverzeichnis

US-Präsident Donald Trump hat angekündigt, dass die USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen aussteigen werden. Es koste die Amerikaner ein Vermögen und sei sehr unfair, weil es Länder wie China und Indien besserstelle, die ihre Treibhausgasemissionen nicht so drastisch reduzieren müssten wie die USA. Außerdem hat Trump den amerikanischen Kumpels einen neuen Kohle-Boom versprochen, nachdem der Energieträger unter Obama immer weiter zurückgedrängt worden war.

Trumps Ankündigung war vor allem eins: purer Aktionismus. Denn kündigen lässt sich das Pariser Klimaschutz-abkommen frühestens drei Jahre nach Inkrafttreten, also im November 2019. Erst ein weiteres Jahr später wären die USA dann tatsächlich draußen. Außerdem drohen bei Nichteinhaltung der Pariser Klimaziele keine Sanktionen. Ein Austritt ist also gar nicht nötig, um das Klima weiter ungestraft ruinieren zu dürfen.

Ein Kommentar von Karsten Schäfer

Karsten Schäfer, TR-Redakteur, hat kein Verständnis für Merkels Kotau vor der Industrie.

Dennoch war der Aufschrei nach Trumps Ankündigung groß. Sehr schnell wiesen Deutschland, Frankreich, Italien und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Trumps Forderung nach einer Neuverhandlung des Klimaabkommens zurück und verkündeten gemeinsam, an den vereinbarten Zielen festzuhalten.

Dabei ist gerade die Empörung Deutschlands äußerst scheinheilig. Denn beim Umweltschutz gibt es nicht nur ein America First, sondern auch ein Germany First. Besonders die Bundesregierung setzt seit Jahren alles daran, schärfere Umweltauflagen von deutschen Schlüsselindustrien abzuwenden oder zumindest so lange es geht zu verzögern.

Ein Beispiel ist die deutsche Kohleförderung. Ein Ausstiegsdatum gibt es nach wie vor nicht. In diesen Tagen wird sogar gerade ein neues Steinkohlekraftwerk in Datteln in Nordrhein-Westfalen in Betrieb genommen. Die 1100-Megawatt-Anlage wird rund 8,4 Millionen Tonnen CO2 jährlich in die Luft blasen.

Kein Wunder, dass der selbst ernannte Klimaschutzmeister Deutschland seine eigenen Klimaziele verfehlen wird. Von den versprochenen 40 Prozent CO2 -Einsparung bis 2020 gegenüber 1990 sind erst 28 Prozent erreicht. Der Großteil der Einsparungen resultiert ohnehin aus dem Zusammenbruch der ineffizienten DDR-Industrie nach der Wiedervereinigung. Im vergangenen Jahr sind die Emissionen sogar wieder angestiegen.

Auch auf anderen Gebieten hat sich wenig getan. Bei der Wärmeerzeugung – immerhin eine der großen CO2-Quellen – war eigentlich ein Erneuerbare-Energien-Gesetz für diese Legislaturperiode vereinbart. Doch es wurde in die nächste verschoben.

Die schon erfolgreiche Energiewende im Stromsektor hat die Bundesregierung mit einer drastischen Absenkung der Einspeisevergütung abgewürgt, um die ehemals großen Energieversorger und ihr Geschäftsmodell wenigstens noch eine kurze Weile zu schützen. Zudem werden immer mehr vermeintlich energieintensive Unternehmen von der EEG-Umlage ausgenommen – was den Strompreis für Privatkunden in die Höhe treibt und die Energiewende zunehmend unbeliebt macht. Selbst die knapp 80000 Arbeitsplätze, die dabei seit 2010 in der deutschen Solarindustrie – immerhin einer Zukunftsbranche – vernichtet wurden, konnten die Bundesregierung nicht davon abhalten.