Daimler bringt 100-Millionen-Schuldschein auf die Blockchain

Autobauer Daimler geht neue Wege bei der Ausgabe einer Anleihe: Gemeinsam mit der Landesbank Baden-Württemberg brachte er den 100-Millionen-Schuldschein auch als Blockchain-Variante.

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Daimler bringt 100-Millionen-Schuldschein auf die Blockchain

(Bild: Daimler AG)

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Daimler hat in Zusammenarbeit mit der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) einen 100 Millionen Euro schweren Schuldschein ausgegeben – auf klassischem Wege und parallel dazu als Pilottest auf einer Blockchain. Dabei wurde laut Mitteilung der gesamte Ausgabeprozess bis hin zu Vertragsabschlüssen über die Blockchaintechnik abgebildet. Die Partner erhoffen sich von der Technik, die ganzen Verfahren einfacher und effizienter zu gestalten.

"Dieses Pilotprojekt ist für uns der erste Schritt, die vielfältigen Möglichkeiten der Blockchain-Technik zu testen und das Potenzial dieser Technik für künftige Transaktionen und Finanzprozesse zu analysieren“, sagte Bodo Uebber, Vorstandsmitglied der Daimler AG. Dabei setzt das Unternehmen aber nicht wie etwa bei der Kryptowährung Bitcoin auf eine öffentliche einsehbare Blockchain und ein Netzwerk, bei dem jeder teilnehmen kann. Nur ein exklusiver Kreis erhält Zugang und die für Transaktionen nötigen Paare öffentlicher und privater Schlüssel. Mit an Bord sind dabei natürlich die Investoren, die die auf ein Jahr laufende Anleihe gezeichnet haben: neben der LBBW selbst sind das die Kreissparkassen Esslingen-Nürtingen, Ludwigsburg und Ostalb, schreibt das Fachblatt Der Treasurer.

Als Frontend dient ein dezentrales Kundenportal, hinter dem eine Blockchain als Backend steht, die Schuldner, Arrangeur der Anleihe und die Investoren in einem gemeinsamen Netz miteinander teilen. Zeichnungsscheine oder Verträge sollen sich dort digital bestätigen lassen. Alle Partner teilen damit den gleichen Informationsstand, der in der Blockchain verzeichnet ist. Prozesse wie die Verwaltung des Orderbuchs, die Prüfung von Zahlungseingängen und Erstellung von Darlehensverträgen können dabei über sogenannte Smart Contracts automatisiert werden. Dabei handelt es sich um in Blockchain-Adressen hinterlegten Programmcode, der sich bei Eintreten der formulierten Bedingungen ausführt. Die Rechnerleistung für die Ausführung kommt von den Teilnehmern des Netzwerks.

Für den bisherigen Vorgang einer Anleihen-Ausgabe könnte die Technik einen großen Modernisierungsschub darstellen. Es gebe im Prozess enormes Optimierungspotenzial, erläuterte Joachim Erdle, Leiter des Bereichs Corporate Finance bei der LBBW. "Die Wertschöpfungskette ist lang und sehr arbeitsteilig. Außerdem werden die notwendigen Informationen und Verträge weitgehend analog verwaltet. Nach wie vor sind am Ende sogar Fax-Bestätigungen nötig.“

Den ganzen Papierkram und den Fax-Einsatz konnte man sich aber dennoch nicht sparen, weil gemäß gegenwärtiger Regulierung solche Transaktionen allein auf der Blockchain nicht statthaft wären, schreibt Der Treasurer. Sollte sich die gesetzliche Lage ändern, sei Daimler aber zum nächsten Schritt bereit: "Wir können uns durchaus vorstellen, Kapitalmarkttransaktionen später gegebenenfalls auch komplett über Blockchain abzuwickeln“, sagte Kurt Schäfer, Leiter Treasury bei Daimler.

Offenbar setzt Daimler generell große Hoffnungen auf die Technik: "Wir wollen ein aktiver Teil der Blockchain-Community werden und haben uns vorgenommen, branchenübergreifende Standards mitzugestalten“, führte Schäfer aus. Erst im Februar ist der Automobilkonzern dem Projekt Hyperledger beigetreten, das unter dem Dach der Linux Foundation läuft und Blockchaintechnik voranbringen soll.

Und auch die LBBW ist beileibe nicht das das einzige Finanzinstitut, das sich auf die Technik stürzt. Die Bundesbank und die Deutsche Börse arbeiten an einer Blockchain für Wertpapierhandel, die Allianz hat bereits die Ausgabe spezieller Anleihen auf Blockketten getestet und ein Konsortium, unter anderem mit Deutscher Bank an Bord, will eine eigene Währung zur Handelsabwicklung entwickeln. Bis aber all diese Pilotprojekte und Proofs of Concept tatsächlich reif für den Alltagsbetrieb sind, wird es wohl noch dauern.

Für einen Einblick in die Funktionsweise einer Blockchain am Beispiel des Bitcoin lesen Sie auch:

[UPDATE, 29.06.2017, 16:30]

Daimler und LBBW nannten auf Anfrage von heise online noch einige Details zur Blockchain. Basis ist demnach das Ethereum-Protokoll, das laut Auskunft bestens für dieses Vorhaben geeignet sei. Alle Teilnehmer des Netzwerks sind dabei Full Nodes, die die Blockchain vorhalten und verteilen; neue Blöcke in die Blockchain eintragen dürfen aber nur die Nodes von Daimler und der LBBW (Proof of Authority). Das stromaufwendige Mining im Stile des Bitcoin, bei dem das Recht auf Block-Eintragung über ein Hashwert-Rätsel erlangt wird (Proof of Work), kann damit entfallen. (axk)