Kanadas Höchstgericht befiehlt Google weltweite Zensur

Google muss Verweise auf Webseiten einer bestimmten Firma aus dem Index löschen, und zwar weltweit. Das hat der Supreme Court of Canada entschieden. Ein kanadischer Konkurrent beschuldigt die Firma, Geschäftsgeheimnisse abgekupfert zu haben.

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Kanadas Höchstgericht befiehlt Google weltweite Zensur

Gebäude des Supreme Court of Canada in Ottawa

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 3 Min.

Google muss eine Reihe von Webseiten der Firma Datalink Technologies Gateway aus dem Index der Suchmaschine löschen, und das weltweit. Diese Einstweilige Verfügung hat Kanadas Höchstgericht, der Supreme Court of Canada, mit 7:2 Richterstimmen erlassen. Datalink verkauft ein GW1000 genanntes Gerät, das speicherprogrammierbare Steuerungen mit Ethernet-Netzen verbindet. Ein kanadischer Konkurrent beschuldigt Datalink, die notwendige Technik bei ihm abgekupfert zu haben.

Das umstrittene Produkt: Datalink GW1000

(Bild: Datalink Technologies Gateway)

Weltweit gültige Zensurentscheidungen nationaler Gerichte sind aus zwei Gründen umstritten: Sie stärken die Macht großer Konzerne wie Google und Facebook. Und sie ebnen der Ausdehnung lokaler Zensur auf die ganze Welt den Weg. "Was passiert, wenn ein chinesisches Gericht die Entfernung aller taiwanischen Seiten aus dem Index anordnet?", kommentiert der kanadische Rechtsprofessor Michael Geist die Verfügung, "Oder wenn ein iranisches Gericht befiehlt, alle schwulen und lesbischen Seiten aus dem Index zu nehmen?"

"Da sich Vorschriften über Inhalte von Land zu Land unterscheiden, gibt es eine große Wahrscheinlichkeit für Konflikte", fährt Geist fort, "Das lässt zwei mögliche Ergebnisse: Lokale Gerichte entscheiden, was andere online abrufen können, oder Firmen wie Google entscheiden selektiv, welchen Regeln sie folgen wollen." Im konkreten Fall dürfte Google der kanadischen Gerichtsentscheidung Folge leisten. Das Verfahren heißt Google Inc. v. Equustek Solutions (2017 SCC 34).

An der höchstgerichtlichen Entscheidung überrascht vor allem die Kürze, mit der die Richter das Kernproblem abhandeln. In einem Absatz führen sie aus, dass eine auf Kanada beschränkte Zensur unwirksam wäre. Datalink könnte dann sein Produkt weiterhin online vertreiben. Auf den Umstand, dass es neben Google noch andere, von der Verfügung nicht betroffene Suchmaschinen gibt, und dass Datalink beispielsweise in einem großen sozialen Netzwerk leicht zu finden ist, gehen die Richter nicht ein.

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"Googles Argument, dass eine weltweit gültige Verfügung die internationalen Gepflogenheiten verletzen würde, weil die Verfügung in anderen Ländern vielleicht nicht erteilt worden wäre, oder dass die Umsetzung der [kanadischen Verfügung] ausländisches Recht verletzen könnte, ist theoretisch", schreiben die Richter im nächsten Absatz. Sollte die Umsetzung ausländisches Recht verletzen, könne Google einen Abänderungsantrag einbringen.

Überlegungen zum möglichen Schneeballeffekt der Verfügung stellen die Richter nicht an. Die Entscheidung enthält auch keine Richtlinien für untergeordnete Gericht, wie sie widerstreitende Interessen in ähnlichen Fällen abzuwägen haben.

Formal handelt es sich nur um eine Einstweilige Verfügung, allerdings wird es in diesem Fall kein Hauptverfahren geben. Der Kläger hat wohl kein Interesse mehr, das Hauptverfahren durchzuführen. Und die beklagte Firma hat sich nach anfänglicher Verteidigung schon länger nicht mehr am Verfahren beteiligt. Der Firmeninhaber dürfte Kanada verlassen haben, vertreibt sein GW1000 aber weiter. (ds)