Störerhaftung ade: Bundestag stimmt für WLAN-Gesetz mit Sperranspruch

Das Parlament will offenen Funknetzen den Weg ebnen und die leidige Störerhaftung abschaffen. Abmahnkosten sollen größtenteils ausgeschlossen, dafür aber Websperren verankert werden.

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Störerhaftung ade: Bundestag stimmt für WLAN-Gesetz mit Sperranspruch

(Bild: dpa / Julian Stratenschulte)

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Mit einem erneuten Anlauf will der Bundestag nun wirklich der Störerhaftung den Garaus machen, die bislang wie ein Damoklesschwert über den Anbietern öffentlicher WLANs schwebt. Beim vorigen Versuch vor einem Jahr blieb ein Unterlassungsanspruch nebst damit verknüpften Abmahnkosten bestehen, was der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Urteil wenig später nicht goutierte. Laut der am Freitag nun verabschiedeten erneuten "Änderung des Telemediengesetzes" (TMG) dürfen Inhaber von Urheberrechten von Hotspot-Betreibern weder Schadenersatz noch Abmahngebühren verlangen, wenn sie feststellen, dass über ein WLAN unerlaubt geschützte Werke etwa per Filesharing illegal verbreitet werden.

Im Gegenzug soll es Rechteinhabern leichter fallen, mit Websperren gegen solche Rechtsverstöße vorzugehen. Der Gesetzgeber hat dafür erstmals mit der Mehrheit von CDU/CSU und SPD eine ausdrückliche Anspruchsgrundlage für Blockaden gegen einen Diensteanbieter geschaffen. Damit sollen wiederholte Verstöße verhindert werden können. Die Kosten für eine solche Anordnung muss der Rechteinhaber tragen, was der Film- und Musikindustrie nicht gefällt.

Providervertreter, Verbraucherschützer und Bürgerrechtler wiederum liefen gegen den neuen Sperranspruch Sturm, da damit Gerichte keine dem Einzelfall angemessene Entscheidung treffen könnten. Experten befürchteten bei einer Last-Minute-Anhörung am Montag ein "Overblocking". Spitzen der Regierungsfraktionen hatten sich da aber schon darauf geeinigt, den ursprünglichen Entwurf der Exekutive weitgehend unverändert annehmen zu wollen. Die Grünen lehnten die Klausel und infolge das gesamte Vorhaben nun in der abschließenden Lesung ab, die Linksfraktion enthielt sich.

Betreiber offener Funknetze dürfen laut dem Entwurf nicht behördlich verpflichtet werden, Nutzer zu registrieren oder die Eingabe eines Passwortes durch seine Nutzer zu verlangen. Derlei Vorkehrungen sollen aber "auf freiwilliger Basis weiterhin möglich bleiben", was die Koalition in einem Änderungsantrag noch einmal herausgestellt hat.

Das Gesetz wäre viel früher möglich gewesen, wenn die Koalition früher Anträgen der Opposition zugestimmt hätte, rügte die Linke Petra Sitte. Nun sei wieder falsch draufgesattelt worden, obwohl längst bekannt sei, dass Websperren "ein völlig untaugliches Mittel sind", um illegale Inhalte im Netz zu verhindern. Damit drohe neue Rechtssicherheit; kein privater Anbieter könne wissen, was er dafür an seinem Router einstellen müsse. Der Grüne Konstantin von Notz warf der Koalition vor, das kleine Einmaleins der Digitalisierung wieder und trotz Kanzlerinnenmachtwort nicht hinbekommen zu haben. Mit dem Sperranspruch lasse Schwarz-Rot "den Bäcker an der Ecke und den Freifunker im Regen stehen".

Markus Held sprach im Namen der SPD-Fraktion dagegen von einem "Meilenstein". In allen anderen Ländern der Welt gebe es die Störerhaftung nicht, nun sei der Weg auch hier endlich für mehr offene WLANs frei. Der Bürger müsse von einem Hotspot zum anderen übergehen können, um Angebote im Internet einfach in Anspruch nehmen zu können. Die Sperren ohne Richteranordnung hätten einen "Beigeschmack", ergänzte der SPD-Netzexperte Lars Klingbeil. Als Wirtschaftspolitiker könne er Sperren nur bedingt mittragen, gab auch Axel Knoerig von der CDU/CSU-Fraktion zu Protokoll. Zugleich kritisierte er aber, dass selbst große Provider von Unterlassungs- und Haftungsansprüchen befreit würden. Eine effektive Rechtsdurchsetzung werde damit erschwert, obwohl der EuGH eine solche angemahnt habe. (anw)